Keine Belege für Manipulation

ZDF zeigte in seinen Sendungen keinen Protest in Unterlüß

23.2.2024, 15:30 (CET), letztes Update: 27.2.2024, 10:14 (CET)

In einem Video ist angeblich zu sehen, wie das ZDF einen Mann in eine Demonstration einschleust, um deren Anliegen zu verfälschen. Doch die Belege für diesen Vorwurf sind mehr als wackelig.

Gegen das ZDF werden in den sozialen Netzwerken Manipulationsvorwürfe erhoben. In einem Video heißt es, der Fernsehsender habe «einen eigenen Mann» mit einem «riesigen Kriegstreiber-Plakat» unter Demonstranten gemischt, die gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestierten - «eine reine Bauerndemonstration». Ziel der angeblichen Manipulation: «Dass die Bauerndemo stattdessen wie eine Pro-Kriegs-Demo und Pro-Ukraine-Demo aussieht». Was hat es damit auf sich?

Bewertung

Für den Vorwurf gibt es keine Belege. Der Mann wurde nach eigenen Angaben von der Polizei zu den Demonstranten mit dem anderen Anliegen geschickt. Das ZDF hat keinen Beitrag über ihn oder die Demonstration ausgestrahlt. Sowohl der Mann als auch der Sender geben an, dass sie nichts miteinander zu tun hätten.

Fakten

Die Vorwürfe gegen das ZDF und einen Demonstranten stützen sich auf einen Livestream vom 12. Februar 2024 aus dem Ort Unterlüß in Niedersachsen. Dort fand im Beisein von Politikern wie Bundeskanzler Olaf Scholz der Spatenstich für eine neue Munitionsfabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall statt.

Nach Angaben der Polizei demonstrierten aus diesem Anlass rund 400 Menschen mit 300 Traktoren in Unterlüß. Die Demonstration richtete sich zwar vor allem gegen die Kürzung von Subventionen für die Landwirtschaft. Laut Polizei waren aber auch Antikriegsdemonstranten vor Ort.

Der Livestream wird in den sozialen Netzwerken als Beleg für eine angebliche Medienmanipulation verbreitet. Denn es ist zu sehen, wie ein Kamerateam des ZDF den Ort der Demonstration erreicht. Kurz vor dem Team läuft ein einzelner Mann mit einem auffälligen Schild in dieselbe Richtung. Er wird von zwei Polizisten begleitet und hinter eine Absperrung in die Menge der Demonstranten geleitet.

Doch sein Schild trägt eine komplett andere Botschaft als die der Bauern und der Gegner der neuen Fabrik: «Mehr Waffen für die Ukraine und Deutschland». Das sorgt erkennbar für Aufsehen und nur einige Augenblicke später wird der Mann wieder von Polizisten aus der Menge geführt.

Mehrere Minuten danach spricht das Kamerateam ein Stück abseits von den anderen Demonstranten mit ihm. Auch das ist im Livestream erkennbar. Die Demonstranten reagieren wütend und rufen zum Beispiel «Lügenpresse». Schon zuvor hatten eine Person im Off des Livestreams und eine Demonstrantin den Verdacht geäußert, der Mann habe etwas mit dem ZDF zu tun.

Die Behauptung, der Mann sei vom ZDF in die Demonstration eingeschleust worden, stützt sich also nur darauf, dass er kurz vor dem Kamerateam den Demonstrationsort erreichte und dass er kurz mit dem Team sprach. Sonstige Belege gibt es nicht.

Stattdessen sprechen einige Punkte dafür, dass der Manipulationsvorwurf falsch ist:

  • Das Kamerateam und der Mann interagieren die meiste Zeit über gar nicht miteinander, zum Beispiel als er in der Zwischenzeit mit der Polizei spricht.
  • Das Kamerateam führte auch mit anderen Demonstranten Gespräche, mit einem Vertreter der Landwirte sogar ein Interview.
  • Das ZDF hat keinen Beitrag ausgestrahlt, in dem der Mann zu Wort gekommen wäre oder in dem die Demonstranten fälschlicherweise als Unterstützer der Munitionsfabrik dargestellt worden wären. Im «heute journal» vom 12. Februar geht es nur um die Eröffnung der Fabrik in Unterlüß, nicht um den Protest. Auch in einem anderen ZDF-Beitrag werden keine Demonstranten erwähnt.
  • Sowohl das ZDF als auch der Pro-Waffen-Demonstrant bestreiten, etwas miteinander zu tun zu haben.

Das ZDF wies den Vorwurf auf der Plattform X (vormals Twitter) zurück. Der Mann äußerte sich in einem Video gegenüber dem Medien-Watchblog «Topfvollgold». Er spricht von einer «grotesken Unterstellung». Niemand habe ihn eingeschleust, aber die Polizei habe ihn aufgefordert hinter die Absperrung zu gehen, also zu den anderen Demonstranten. Eigentlich habe er einen Abstand zur Demonstration der Landwirte halten wollen. Gegenüber der «Celleschen Zeitung» berichtete er einige Tage später zudem von Drohungen gegen ihn im Internet.

(Stand: 23.2.2024)

Links

Mitschnitt eines Livestreams auf X (archiviert; Video archiviert)

Pressemitteilung der Polizei zu der Demonstration (archiviert)

«Cellesche Zeitung» über Ankündigung der Demonstration (archiviert)

ZDF-«heute journal» vom 12.02.2024 (archiviert; archivierter Bericht aus Unterlüß)

Weiterer ZDF-Beitrag (archiviert; Video archiviert)

X-Beitrag des ZDF-Landesstudios Hannover (archiviert)

Video von «Topfvollgold» mit Statement des Mannes (archiviert; Video archiviert)

Bericht der «Celleschen Zeitung» nach der Demonstration (Bezahlinhalt) (archiviert)

Video auf Facebook (archiviert; Video archiviert)

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