Forderung erfunden
Kein Verbot: WHO empfiehlt Umstellung der Landwirtschaft
18.1.2024, 12:12 (CET)
Seit Beginn des neuen Jahres demonstrieren deutschlandweit Bauern wegen geplanter Kürzungen der Subventionen durch die Ampel-Koalition. Online wird der Unmut der Bauern nun aber auch genutzt, um Stimmung gegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu machen: Denn in sozialen Netzwerken macht die Nachricht die Runde, dass die Organisation den Landwirten schaden möchte. Angeblich will die WHO die Landwirtschaft weltweit verbieten, um damit den Planeten vor der Erderwärmung zu retten. Unter dem «Deckmantel des Klimawandels» sei WHO-Chef Tedros Ghebreyesus bereit, den Hungertod vieler Menschen in Kauf zu nehmen.
Bewertung
Die Behauptung ist falsch. Tatsächlich nehmen Lebensmittelsysteme durch den Ausstoß von Treibhausgasen Einfluss auf das Klima. Die WHO empfiehlt deshalb, die Lebensmittelindustrie umzugestalten – hin zu einer vielfältigen und vermehrt pflanzenbasierten Ernährung. Von einem Verbot der Landwirtschaft ist allerdings nicht die Rede. Mit der anvisierten Umstellung könnten laut WHO zudem Millionen Menschenleben pro Jahr vor dem Tod gerettet werden.
Fakten
In den sozialen Netzwerken machen Userinnen und User ihrem Ärger über WHO-Chef Tedros Ghebreyesus Luft. In einem angeblichen Statement soll er die Regierungen aufgerufen haben, die Landwirtschaft zu verbieten. Die Behauptung wird mit dem Verweis auf eine Website (hier oder hier) oder eine Videoansprache von Ghebreyesus untermauert.
Der Clip, in dem er die angebliche Forderung zum Verbot der Landwirtschaft aufgestellt haben soll, ist schnell gefunden: Er wurde bereits im Dezember 2023 auf dem Youtube-Kanal der WHO veröffentlicht und trägt den Titel «Unsere Lebensmittelsysteme schaden der Gesundheit von Mensch und Erde». Im gesamten Statement rät Ghebreyesus allerdings nie dazu, die Landwirtschaft weltweit zu verbieten.
Wie Klima und Ernährung zusammenhängen
Er verweist darin lediglich auf die Verbindung zwischen Klima und Ernährung. Er erklärt: «Die Lebensmittelindustrie trägt zu über 30 Prozent der Treibhausgasemissionen bei und ist für fast ein Drittel der weltweiten Krankheitsrate verantwortlich.» Aktuelle Studien und wissenschaftliche Publikationen geben ähnliche Dimensionen hinsichtlich der Treibhausgase an.
Kohlendioxid-Emissionen sind maßgeblich für die globale Erwärmung verantwortlich. Sie ergeben sich in Lebensmittelsystemen laut der Umweltschutzorganisation WWF zum Beispiel aus dem Verbrauch von fossilen Brennstoffen in der Landwirtschaft oder aus Gasen, die Tiere ausstoßen. Wissenschaftler geben in einer Analyse aus dem Jahr 2023 als weitere Entstehungsgründe aber auch die Lebensmittelproduktion oder die -entsorgung an. Hinzu kommt oft ein hoher Wasserverbrauch, der sich ebenfalls negativ auf das Ökosystem auswirken kann.
Eine Umstellung der Lebensmittelsysteme auf eine gesündere, abwechslungsreichere und stärker pflanzlich geprägte Ernährung sei Ghebreyesus zufolge daher unerlässlich. Durch diese Art der Versorgung könne seiner Meinung nach der Klimawandel bekämpft werden.
Mit der Ansicht ist er nicht allein: Auch das Umweltbundesamt bezeichnet eine fleischreduzierte, vegetarische oder vegane Ernährung als klimafreundlich, da tierische Lebensmittel bei der Produktion erheblich mehr Emissionen verursachen als pflanzliche Lebensmittel. Ghebreyesus ist zudem überzeugt davon, dass durch die Umstellung der Lebensmittelsysteme bis zu acht Millionen Menschen pro Jahr vor dem Tod gerettet werden können.
Um die Ernährungsversorgung schrittweise zu verbessern und den Klimawandel zu bekämpfen, haben mehr als 130 Länder zuletzt auf der Weltklimakonferenz eine Erklärung zu Klima und Gesundheit unterzeichnet. Auch in dieser Vereinbarung («COP28 UAE Declaration on climate and health») wird nicht die Absicht formuliert, die Landwirtschaft zu verbieten.
(Stand: 17.01.2024)
Links
Facebook-Post mit Video (archiviert: Post und Video)
Facebook-Post ohne Video (archiviert)
Website aus Facebook-Post (archiviert)
Weitere Website aus Facebook-Post (archiviert)
WHO YouTube-Video (archiviert)
«Nature»-Studie über Treibhausgasemissionen in Lebensmittelsystemen aus dem Jahr 2021 (archiviert)
Artikel in «Earth System Science Data» (archiviert)
WWF über Ernährung und Klima (archiviert)
«Nature»-Studie aus dem Jahr 2023 über Lebensmittelsysteme (archiviert)
Umweltbundesamt über klimafreundliche Ernährung (archiviert)
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