Zitat ohne Kontext

Keine Impfung unter Narkose ohne Zustimmung

15.1.2024, 13:04 (CET)

Immer wieder tauchen Meldungen über illegale Impfpläne auf. In der Regel beruhen sie auf Missverständnissen oder Verkürzungen.

Geschlossene Grenzen und Lockdown-Rekorde: Australiens Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 gehörten zu den strengsten weltweit. Im Netz kursiert nun die Behauptung, das Land habe auch in puncto Impfungen zu drastischen Mitteln gegriffen. So ist zu lesen, die australische Regierung habe Ärzte angewiesen, unwilligen Patienten Impfstoffe zu verabreichen, während diese wegen anderer Eingriffe unter Narkose stehen. Was steckt hinter der Behauptung? 

Bewertung

Die Empfehlung gilt für Patienten mit beispielsweise Angst- oder Verhaltensstörungen. Ihnen soll die Impfung durch Sedierung oder während eines anderen Eingriffs erleichtert werden. Dafür ist allerdings eine Einwilligungserklärung des Patienten notwendig, wie das australische Gesundheitsministerium klarstellte.

Fakten

Als Quelle wird der Screenshot eines Beitrags auf X (vormals Twitter) angegeben. Dort ist eine Grafik mit einem Zitat zu sehen. Die Aussage stammt aus einer Übersicht (Download, S.2) der Australian Technical Advisory Group on Immunisation (ATAGI).

Diese wurde im April 2022 auf der Website des australischen Gesundheitsministeriums veröffentlicht. In dem Dokument geht es um die Möglichkeit der Sedierung zur Durchführung einer Corona-Impfung. Nur fehlt dem zitierten Satz der nötige Zusammenhang.

Wenn Spritzen Stress auslösen

Im Hintergrundabschnitt auf der ersten Seite wird zunächst erläutert, worum es geht: So steht dort, dass Injektionen für Personen mit Verhaltens- oder Angststörungen, wie einer Nadelphobie, eine Herausforderung sein können. Diesen könne eine Sedierung dabei helfen, eine sichere Impfung zu ermöglichen.

Sofern Maßnahmen ohne Medikamentengabe versagt hätten, komme unter gewissen Umständen auch eine Narkose infrage. Am Ende des Abschnitts heißt es aber ausdrücklich: «Eine Sedierung sollte nicht als Maßnahme eingesetzt werden, um die Einhaltung der Impfvorschriften durchzusetzen.»

Zur «opportunistischen Impfung» wird auf der zweiten Seite erläutert, dass sie in einigen Fällen auch während eines anderen Eingriffs unter Sedierung oder Anästhesie durchgeführt werden könne. Dadurch bliebe den Patienten eine weitere Betäubung erspart. Sie sollte jedoch «nur bei ausgewählten Eingriffen in Betracht gezogen werden, wenn der Patient nicht akut erkrankt ist.»

Nicht ohne informierte Einwilligung

Bei dem ATAGI-Hinweis handele es sich um einen allgemeinen Überblick über die Grundsätze für den Einsatz von Beruhigungsmitteln bei Impfungen, erklärte das australische Gesundheitsministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Sedierung sei dabei eine von mehreren Maßnahmen.

Eine Impfung könne aber nur mit einer Einverständniserklärung durchgeführt werden, hieß es weiter seitens Gesundheitsministeriums: «In Australien ist vor der Verabreichung aller Impfstoffe eine informierte Zustimmung erforderlich. Das bedeutet, dass die zu impfende Person vorab über die Risiken und Vorteile der Impfung informiert sein muss.»

Darauf wird auch in dem Dokument hingewiesen. Insofern muss in Australien niemand befürchten, ohne seine Einwilligung unter Narkose geimpft zu werden. Das gilt übrigens auch hierzulande: Die Voraussetzung der Einwilligung für medizinische Maßnahmen ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.

(Stand: 12.1.2024)

Links

«ZEIT»-Artikel zu Australiens Pandemiemaßnahmen (archiviert)

Blogartikel (archiviert)

X-Beitrag (archiviert)

Hinweise von ATAGI zur Sedierung (Download) (archiviert)

§ 630d BGB zur Einwilligung (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.