Kündigung wegen «Demo»?
Keine Belege, dass Supermarktketten Spediteuren drohen
5.1.2024, 10:28 (CET)
Etliche Spediteure fordern von der Politik Entlastungen - unter anderem bei der Maut und beim Diesel-Kraftstoff. Sie kündigten an, sich gemeinsam mit ihren Beschäftigten im Januar 2024 an Protestaktionen zu beteiligen, um ihre Standpunkte deutlich zu machen. In sozialen Medien wird in diesem Zusammenhang das unbelegte Gerücht verbreitet, die Spediteure müssten mit Konsequenzen rechnen, wenn sie an den Protesten teilnehmen. Die Supermarktketten Edeka, Lidl und Netto hätten angeblich gedroht, Verträge zu kündigen, heißt es in zahlreichen Beiträgen auf Facebook. Mitunter wird dort sogar zum Boykott der Unternehmen aufgerufen.
Bewertung
Für die Behauptung gibt es keine Belege. Über die drei genannten Unternehmen sind bei Branchenverbänden ausdrücklich keine Beschwerden eingegangen, auch wenn vereinzelt Spediteure generell von Kündigungsdrohungen berichteten. Die Supermarktketten selbst wiesen die Vorwürfe deutlich zurück.
Fakten
Edeka, Lidl und Netto teilten auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit, dass entsprechende Drohungen nicht ausgesprochen worden seien. Man setze auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Geschäftspartnern, heißt es etwa von Edeka.
Auch eine Nachfrage bei den Spediteuren lässt vermuten, dass die Geschichte so nicht stimmt. Die Presseabteilung des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) erklärte, dass bei einem solchen Vorfall «normalerweise das Telefon heißlaufen» würde. In den vergangenen Tagen hätte sich jedoch kein Spediteur über eine solche Drohung beschwert. In einer Erklärung auf der Internetseite des Verbandes heißt es, man wolle an Protestaktionen und einer Demonstration am 15. Januar in Berlin teilnehmen.
Beim DSLV Bundesverband Spedition und Logistik gab es zwar vereinzelte Beschwerden darüber, dass Kündigungsdrohungen im Raum stünden. Die Namen Edeka, Lidl und Netto seien in diesem Kontext jedoch explizit nicht gefallen, teilte ein Sprecher der dpa mit. Eine fristlose Kündigung eines laufenden Vertrages aufgrund einer Protestteilnahme hält der Verband für ausgeschlossen: «Solange die Spedition ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommt, begründet die bloße Teilnahme an einer Protestaktion keine fristlose Kündigung», heißt es in einer schriftlichen Antwort.
Dennoch verbreitet sich das Gerücht um die drei Supermarktketten in zahlreichen Beiträgen, Sharepics und einem viel geteilten Video eines Gastronomen aus Schleswig-Holstein. Dieser behauptet, eine Drohung sei gegen eine Spedition ausgesprochen worden, die sich am 8. Januar - wie er sagt - «an der Demo» beteiligen wolle. Um welche Spedition es sich handelt, sagte er der dpa nicht. Er wolle seine Quelle nach eigener Aussage schützen.
Gemeint ist mit «der Demo» offenbar ein Generalstreik am 8. Januar, zu dem in sozialen Medien aufgerufen wird. Die Aufrufe sind bemerkenswert, weil das Vorhaben rechtlich problematisch ist. Ernesto Klengel vom Hugo Sinzheimer Institut für Arbeits- und Sozialrecht sagte der dpa: «Die Rechtsprechung in Deutschland sagt klar, dass für politische Ziele Streiks nicht möglich sind. Auch Generalstreiks für politische Ziele sind ausgeschlossen.»
(Stand: 4.1.2024)
Links
Protestankündigung auf BGL-Webseite (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.