RTL-Sendung von 2007
Dokumentation stellt Falschbehauptungen zum Klimawandel auf
28.12.2023, 11:34 (CET), letztes Update: 28.12.2023, 12:29 (CET)
Seit Jahren versuchen Leugner des menschengemachten Klimawandels, wissenschaftliche Fakten zu widerlegen. Nun kursiert ein Ausschnitt aus einer RTL-Sendung in den sozialen Medien, die der Öffentlichkeit «Panikmache» in Bezug auf den Klimawandel attestiert. Unter dem Titel «Der Klimaschwindel» wird unter anderem behauptet, CO2 hätte angeblich keinen Einfluss auf das Weltklima. Wärmere Perioden hätte es immer gegeben. Die derzeitigen klimatischen Entwicklungen haben daher natürliche Ursachen. Das beweise auch die angeblich gestiegene Eisbärenpopulation. Immer wieder äußern sich auch Wissenschaftler in dem Beitrag. Ist den Aussagen zu trauen?
Bewertung
Nein. Dass die Erderwärmung und damit die Klimakrise durch den Menschen und seinen CO2-Ausstoß verursacht wird, ist wissenschaftlich erwiesen. Der Ausschnitt steckt voller Falschbehauptungen.
Fakten
Im August 2021 erklärte der Weltklimarat (IPCC), dass sich die Erde bei der derzeitigen Entwicklung bereits gegen 2030 um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen wird. Eine so rasche Erwärmung hat der Globus seit Jahrtausenden nicht erlebt.
Der Grund dafür ist vor allem der menschengemachte Klimawandel. Doch in dem Video wird behauptet, solche Wärmeperioden hätte es schon immer gegeben. Die Erde habe sich demnach nicht bedeutend erhitzt, als eine drei- oder sogar zehnmal höhere CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre auftrat.
Es ist zwar richtig, dass die klimatischen Bedingungen auf der Erde nie konstant waren und auf vielen Wechselwirkungen beruhen - zum Beispiel auf Vulkanaktivitäten oder der Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Diese Veränderungen erfolgen jedoch über einen wesentlich längeren Zeitraum hinweg als die Erderwärmung, die seit Beginn der Industrialisierung zu beobachten ist.
Kaum eine Forscherin zweifelt daran, dass die Erderwärmung vor allem durch die zunehmende CO2-Konzentration verursacht wird. Denn Treibhausgase wie CO2, Methan (CH4) und Lachgas (N2O) führen dazu, dass ein Teil der vom Boden abgegebene Wärmestrahlung in der Atmosphäre aufgehalten wird und diese erwärmt. Der Weltklimarat erklärt, dass die aktuelle CO2-Konzentration im Vergleich zu den vergangenen zwei Millionen Jahren beispiellos ist.
Es habe zwar tatsächlich auch Zeiten in den vergangenen 60 Millionen Jahren gegeben, in denen der CO2-Anteil in der Atmosphäre größer war, doch es gebe Beweise dafür, dass «die Geschwindigkeit, mit der CO2 in der Atmosphäre zugenommen hat, zwischen 1900 und 2019 mindestens zehn Mal schneller ist als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten 800 000 Jahren.»
Natürliche Einflüsse auf den Klimawandel spielen untergeordnete Rolle
In dem verbreiteten Video wird auch behauptet, die Sonne sei der eigentliche Treiber der Erderwärmung. Der Temperaturanstieg der vergangenen Jahrzehnte in Modellrechnungen lässt sich jedoch nicht reproduzieren, wenn nur natürliche Einflüsse berücksichtigt werden. «Erst wenn man in den Klimadaten anthropogene, also menschengemachte Faktoren einbringt, stimmen sie mit den Beobachtungs- und Messdaten überein», erklärt die Max-Planck-Gesellschaft (MPG).
Die Sonne könne erst seit etwa 400 Jahren durch ein Teleskop beobachtet werden, erläutert Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung der Deutschen Presse-Agentur. In den vergangenen 30 bis 40 Jahren jedenfalls habe es definitiv keine Zunahme der Sonnenhelligkeit gegeben, so der Experte. Das deckt sich mit Daten der US-Weltraumbehörde Nasa. Während die Temperatur seit Mitte des 20. Jahrhunderts ständig gestiegen ist, hat sich die Intensität der Sonnenstrahlung kaum verändert.
Und auch die Helmholtz-Klima-Initiative kommt zu dem Schluss, dass Sonnenzyklen nicht als Hauptverantwortliche für die derzeitige Erderwärmung benannt werden können – «und schon gar nicht würde ein solcher Zyklus den heutigen menschlichen Einfluss auf das Klima widerlegen», erklärt das Institut.
Eisbärenpopulation sinkt seit Jahren deutlich
Im Video wird zudem behauptet, die Eisbärenpopulation würde stetig anwachsen, doch der Klimawandel bedroht die Lebensräume der Eisbären dramatisch, wie zahlreiche Studien belegen. Niemand weiß genau, wie viele Eisbären in der Arktis leben. Forscher schätzen ihre Zahl auf 26 000 Tiere. Doch der voranschreitende Klimawandel bedroht ihre Lebensgrundlagen, ihre Zahl schrumpft.
Das Problem beschreiben die kanadischen Polarforscher Ian Stirling und Andrew Derocher von der University of Alberta: «Eisbären sind auf Meereis als Plattform angewiesen, von der aus Robben gejagt werden können, um lebensfähige Subpopulationen in freier Wildbahn zu erhalten. Wenn sich das Klima weiter erwärmt und Meereis beseitigt, werden Eisbären wahrscheinlich innerhalb von 30 bis 40 Jahren aus den südlichen Teilen ihres Verbreitungsgebiets verschwinden.» Von 1987 bis 2011 ist die Eisbärenpopulation laut den Forschern bereits um 30 Prozent gesunken.
Falschbehauptungen zum Klimawandel kursieren seit Jahren
Der auf Facebook verbreitete Ausschnitt ist Teil eines rund 40-minütigen Beitrags, den RTL im Rahmen seines Formats «RTL Extra» im Jahr 2007 gesendet hatte. Bei dem Beitrag handelt es sich um eine bearbeitete Fassung der britischen Dokumentation «The Great Global Warning Swindle», die im selben Jahr wie die RTL-Sendung erschien.
Der Film wurden für die darin enthaltenen Fehler heftig kritisiert. Auch wissenschaftliche Institute und Faktenprüfer widerlegten die Falschinformationen. Trotzdem kursieren die Behauptungen auch über 15 Jahre nach der Veröffentlichung durch die sozialen Medien.
Die Deutsche Presse-Agentur veröffentlichte bereits mehrere Faktenchecks zum menschengemachten Klimawandel. So ist beispielsweise die Behauptung falsch, dass ein derzeit aktiver Vulkan angeblich «mehr Klimaschäden als die ganze Menschheit in 10 Jahren» verursacht.
(Stand: 27.12.2023)
Links
Statement vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zum Beitrag (archiviert)
Wissenschaftler über Falschbehauptungen in Dokumentarfilm (archiviert))
Guardian-Artikel über Dokumentarfilm (archiviert)
Helmholtz-Klima-Initiative zu Sonnenzyklen (archiviert)
Sammlung von Studien zum CO2-Einfluss auf Erdklima (archiviert)
Studie zu CO2 und Erdklima (archiviert)
MKG zur Sonnenaktivität (archiviert)
NASA zu Erderwärmung (archiviert)
NASA-Diagramm zu Sonnenaktivität (archiviert)
dpa-Faktencheck zu CO2-Ausstoß von Vulkanen
dpa-Faktencheck zu Eisbärenpopulation
dpa-Faktencheck zu Sonneneinstrahlung und Klimawandel
SZ-Artikel zum RTL-Beitrag (archiviert)
AFP-Faktencheck zum Thema (archiviert)
Informationen zum IPCC-Bericht (archiviert)
Umweltbundesamt über Treibhausgaskonzentrationen (archiviert)
Studie zu Eisbärenpopulation (archiviert)
Bericht zu weltweiter Eisbärenpopulation (archiviert)
Seite «Klimafakten» über Klimaveränderungen in der Erdgeschichte (archiviert)
Video mit kompletten RTL-Bericht auf Bitchute (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.