Mehr Babys deutscher Mütter

Sarrazin nennt ungenaue Zahlen zu Geburten und Migration

13.12.2023, 12:16 (CET)

Zahlen können eine hohe Überzeugungskraft haben. Gegebenenfalls sollte man jedoch überprüfen, ob sie auch richtig sind. Dabei helfen die Angaben des Statistischen Bundesamts.

Als Buchautor und Redner argumentiert Thilo Sarrazin beim Thema Migration in Interviews oft mit Zahlen. Mit Blick auf die Nationalitäten von Babys in Deutschland spricht er von 750 000 Geburten in Deutschland. 500 000 Babys hätten dabei deutsche Mütter und 250 000 «migrantische Mütter». Stimmen diese Angaben aus einem Interview in sozialen Netzwerken?

Bewertung

Sarrazins Zahlen stimmen mit den jüngsten Zahlen für 2022 nicht überein. Das Statistische Bundesamt hat im vergangenen Jahr in Deutschland 738 819 Geburten registriert. 547 254 Mütter hatten dabei eine deutsche und 191 565 Mütter eine nicht deutsche Staatsangehörigkeit.

Fakten

Thilo Sarrazin nennt für seine Zahlen weder Jahr noch Quelle. In den vergangenen zwölf Jahren registrierte das Statistische Bundesamt jedoch keine Geburtenzahlen, die seinen Angaben einigermaßen entsprechen würden (abrufbar unter «zusammengefasste Geburtenziffer nach der Staatsangehörigkeit der Eltern», Kennziffer 12612-03)

Der Autor behauptet im Interview auch, Deutschland brauche eine Million Geburten pro Jahr, um seine Bevölkerungszahl von 80 Millionen Menschen zu halten.

Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts stieg die Bevölkerungszahl in Deutschland 2022 vor allem dank Zuwanderung auf 84,4 Millionen Menschen. So sind im Jahr 2022 fast 1,5 Millionen Menschen mehr nach Deutschland gekommen als umgekehrt Menschen aus Deutschland abgewandert sind.

Die natürliche Bevölkerungsbilanz ist in Deutschland seit vielen Jahren negativ. Das heißt: Es werden weniger Menschen geboren als Menschen sterben. Dies war auch im Jahr 2022 der Fall. Dabei sei das Geburtendefizit gegenüber dem Vorjahr nochmals kräftig auf 327 000 Personen angestiegen, errechnete das Forschungszentrum demografischer Wandel.

«Ohne hohe Nettozuwanderung wäre die deutsche Bevölkerung in der Vergangenheit geschrumpft bzw. wird dies auch in Zukunft tun, sofern sich die Nettozuwanderung deutlich reduziert», heißt es dort. Damit die Bevölkerung eines Landes ohne Zuwanderung nicht schrumpft, müssten nach Angaben des Statistischen Bundesamts in hoch entwickelten Ländern rein rechnerisch etwa 2,1 Kinder je Frau geboren werden. In Deutschland lag dieser Wert im Jahr 2022 durchschnittlich bei 1,46 Kindern je Frau.

Sarrazin spricht von einem Trend von rund 400 000 Einwanderungen pro Jahr, der «rauf und runter» gehe. De facto schwankte diese Zahl in den vergangenen Jahren infolge von Kriegen und Krisen erheblich. Wenn man Zuzüge aus dem Ausland und Fortzüge ins Ausland gegenrechnet, ergab sich laut Statistischem Bundesamt 2022 ein Plus von rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland - vor allem wegen vieler Geflüchteter aus der Ukraine.

2021 ergab sich ein Wanderungssaldo von rund 329 200 Menschen, 2020 lag dieser Wert bei 220 251 Menschen und 2019 waren es 327 000 Menschen. Ein Grund für die niedrigeren Zahlen war die Corona-Pandemie.

(Stand: 12.12.2023)

Links

Statistisches Bundesamt zu Geburten im Jahr 2022 (archiviert)

Geburtenreihe 2010 bis 2022 (siehe zusammengefasste Geburtenziffer nach der Staatsangehörigkeit der Eltern, Kennziffer 12612-03)

Forschungszentrum demografischer Wandel zum Geburtendefizit in Deutschland (archiviert)

Statistisches Bundesamt zu Wanderungssaldo 2010 bis 2022 (archiviert)

Statistisches Bundesamt zu Bevölkerung und Geburten (archiviert)

Interview mit Sarrazin auf Youtube (archiviert)

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