Falschbehauptungen zur Impfung
Passage aus EU-Vertrag mit Pfizer ist seit Jahren öffentlich
17.11.2023, 09:10 (CET)
Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie wird weiter über die Impfkampagne gestritten - vor allem im Netz. Insbesondere die Verträge der Staaten mit den Herstellern lösen nach wie vor Diskussionen aus. So heißt es in einem Artikel, bei Twitter sei Ende Oktober 2023 der Vertrag zwischen der Europäischen Union (EU) und Pfizer über «5,4 Milliarden Impfdosen um rund 100 Milliarden Euro» veröffentlicht worden. Darin stehe «explizit, dass Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen unbekannt» sind. Weiter unten im Artikel ist dann von «Turbokrebs» und 17 Millionen Todesfällen im Zusammenhang mit der Impfung die Rede. Sind diese Aussagen belegt?
Bewertung
Die Vertragsdetails sind schon seit Jahren im Netz zu finden. Die EU hat weniger Dosen des Corona-Impfstoffes von Biontech/Pfizer bestellt als im Artikel behauptet. Für die angeblichen Impfnebenwirkungen gibt es keine Belege. «Turbokrebs» ist keine medizinische Diagnose oder Bezeichnung.
Fakten
Der Tweet, auf dem der Artikel beruht, stammt vom deutschen Internet-Unternehmer Kim Dotcom. Mit der Datentauschbörse Megaupload wurde er vielfacher Millionär. Nach Ermittlungen der US-Bundespolizei FBI wurde sie 2012 abgeschaltet.
In seinem Tweet vom 26. Oktober 2023 behauptete Dotcom, dass eine geheime Vereinbarung über den Kauf von Impfstoffen durchgesickert sei. Dazu teilte er den Link zu einem Dokument im Internet Archive.
Es handelt sich dabei zwar um den Vertrag zwischen Biontech/Pfizer und der EU, das Schriftstück wurde jedoch nicht erst kürzlich, sondern bereits im Sommer 2021 auf der Seite hochgeladen.
Altbekannte Vertragsdetails
Die Sätze, um die sich der Artikel dreht, sind Teil der Vorlage für die Verträge der Mitgliedsstaaten. Darin steht, dass die Impfstoffe nach Auslieferung weiter geprüft werden. Es wird in dem Dokument von Ende 2020 klargestellt, dass möglicherweise zu diesem Zeitpunkt noch nicht sämtliche Nebenwirkungen bekannt waren. Biontech hatte damals die entscheidende Phase-III-Studie über die Wirksamkeit bereits abgeschlossen.
Die im Artikel zitierten Sätze finden sich auch an anderer Stelle seit langem ungeschwärzt. Zum Beispiel kann man das Dokument seit Ende 2020 auf der Seite des tschechischen Gesundheitsministeriums herunterladen. Auch auf der Internetplattform «FragDenStaat» ist es zu finden, nach Angaben des Betreibers seit April 2021.
Auf der Seite der Europäischen Kommission ist das Dokument hingegen zum Teil geschwärzt - auch die im Artikel zitierte Passage. Auf Anfrage der dpa erläuterte die Kommission, sie könne «nicht einseitig beschließen, vertrauliche Informationen aus den Verträgen offenzulegen, es sei denn, die Unternehmen selbst stimmen dem zu.»
Impfdosen und Kosten
In Artikel heißt es, der Vertrag drehe sich um 5,4 Milliarden Impfdosen, die die EU für rund 100 Milliarden Euro bestellt habe. Im Vertrag findet sich jedoch weder die Zahl der insgesamt von Biontech/Pfizer gekauften Impfdosen noch der Preis, den die EU dafür zahlen muss. Eine Google-Suche führt ausschließlich zu Ergebnissen, die laut Suchmaschine «möglicherweise keine verlässlichen Informationen» liefern.
Nach Angaben der EU wurden bislang insgesamt 2,4 Milliarden Dosen des Corona-Impfstoffes von Biontech/Pfizer bestellt, mit der Option auf weitere 900 Millionen Dosen. Demnach wurden bis Anfang September etwa 760 Millionen Dosen an die Mitgliedsstaaten verteilt.
Falschbehauptungen über die Impfung
In dem Artikel werden weitere Behauptungen über den Impfstoff aufgestellt, die falsch sind. So heißt es, im Zusammenhang mit der Impfung habe es 17 Millionen Todesfälle gegeben. Doch dafür gibt es keinen Beweis. Auch die Warnung vor einem angeblichen «Turbokrebs» führt in die Irre.
(Stand: 15.11.2023)
Links
Artikel mit Falschbehauptungen (archiviert)
Post von @KimDotcom (archiviert)
Dokument auf der Seite der EU-Kommission (archiviert)
Dokument bei FragDenStaat (archiviert)
Dokument auf der Seite des tschechischen Gesundheitsministeriums (archiviert)
Text auf Seite der Organisation Hlídač Státu (archiviert)
EU Vaccines Strategy (archiviert)
dpa-Faktencheck «Fachleute nehmen Behauptung zu Impftoten auseinander»
dpa-Faktencheck «"Turbokrebs" ist kein medizinischer Begriff»
Google-Suchergebnisse «5,4 milliarden impfdosen» (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.