Keine Inszenierung
Rumänische Reporterin befolgte Rat von Sicherheitsexperten
6.11.2023, 14:25 (CET)
Berichte aus Kriegsgebieten entstehen oft unter der Gefahr, dass die Beteiligten selbst Opfer von Attacken werden. Nun wird einer rumänischen Reporterin vorgeworfen, ihr Publikum getäuscht zu haben. Das sollen Aufnahmen von einem Interview beweisen. Darauf ist zu sehen, wie die Reporterin in Deckung geht. Gleichzeitig sind im Hintergrund Menschen zu sehen, die ohne Panik laufen und Rad fahren. Aber erzählen die Aufnahmen die ganze Geschichte?
Bewertung
Nein, der Abschnitt wurde aus einer längeren Nachrichtensendung herausgeschnitten. Es zeigt, wie der Reporter in Deckung geht, als die Luftschutzsirene losgeht und anschließend Explosionen zu hören sind. Der verbreitete Clip beginnt erst, nachdem die Sirene verstummt ist, und endet, kurz bevor die Reporterin wieder aufsteht, um ihre Arbeit fortzusetzen.
Fakten
Die Reporterin in dem Video ist Cristina Cileacu, eine Journalistin vom rumänischen Nachrichtensender Digi24. Bei den auf Facebook kursierenden Aufnahmen handelt es sich um einen Ausschnitt aus einer längeren Sendung von Digi24 vom 22. Oktober 2023. Darin berichtete Cileacu live aus Aschkelon in Israel, wenige Kilometer nördlich von Gaza.
Wer sich die Sendung (ab 5:08) ansieht, wird feststellen, dass das auf Facebook geteilte Video einen wichtigen Kontext weglässt. Man sieht Cileacu auf der Straße berichten, als plötzlich Sirenen zu hören sind. Cileacu schildert das Geschehen und sagt zu ihrem Kameramann: «Jetzt klingelt der Alarm wieder, komm Vali, zum Auto, leg dich hin.» Dann geht Cileacu eher ruhig zum Auto, während sie der Kamera erklärt, dass «der Rat ist, sich hinzulegen.»
Als die Sirenen und Explosionsgeräusche enden, steht Cileacu wieder auf und setzt ihren Bericht fort. Das auf Facebook kursierende Video zeigt jedoch nur die kurze Zeit zwischen dem Ende des Alarms und dem Aufstehen von Cileacu. Dadurch sieht es so aus, als würde sie auf dem Boden liegen, ohne Anzeichen von Gefahr.
Israelische Behörden empfehlen, Luftsirenen ernst zu nehmen
Obwohl es im Video so aussieht, als ob mehrere Menschen vorbeiradeln, zeigt das ungeschnittene Filmmaterial auch, wie jemand anderes in Deckung geht. Dass nicht jeder einfach vom Fahrrad springt, liegt laut Digi24 daran, dass Menschen, die täglich mehrere Alarme hören, erst dann Angst bekommen, wenn in ihrer unmittelbaren Nähe eine Rakete einschlägt. Der israelische Botschafter in Rumänien stimmt dem zu. Auf X schreibt er: «Israelis ignorieren manchmal die Sirenen, aber Journalisten sollten sie niemals ignorieren.»
Das irreführend geschnittene Video erlangte in Rumänien Aufmerksamkeit, nachdem es vom ehemaligen rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta auf Facebook geteilt wurde. Er schrieb: «Glauben Sie, dass die Leute, die leise hinter dem Reporter herradeln, von der Hamas sind?»
Cileacus Arbeitgeber Digi24 erklärte daraufhin, dass israelische Behörden darauf drängen, jede Luftangriffssirene ernst zu nehmen. «Je nachdem, wo man sich befindet, muss man innerhalb einer bestimmten Anzahl von Sekunden Maßnahmen ergreifen. Wenn man sich im Freien befindet, muss man sich auf den Boden legen. Das haben unsere Kollegen gemacht, als sie von so einem Alarm überrascht wurden» heißt es in der Erklärung.
Andere Reporter handeln bei Luftsirenen ähnlich
Auf dpa-Anfrage erklärt Cileacu, dass sie viele Male in der Region gewesen sei, unter anderem während des letzten Gaza-Kriegs im Jahr 2014. Sie weist darauf hin, dass sie stets den Ratschlägen von Sicherheitsexperten folgt: «Die Sicherheitsratschläge kommen von Sicherheitsleuten in der Region. Es gibt ein Protokoll, das Reporter in der Region kennen. Die israelische Regierung informiert regelmäßig alle.» Sie kenne die Region gut und respektiere den Rat von Fachleuten, so die Reporterin.
Die rumänische Zeitung Libertatea befragte andere Journalisten mit Erfahrung in Israel und Palästina zum Verhalten bei Luftsirenen. «Der Grundsatz ist, nicht herumzustehen», sagt Laurenţiu Rădulescu, «das ist eine Regel, die hier jeder respektiert». Kriegsreporter Marius Saizu erklärt, wenn man den Alarm höre, suche man sich einen Unterschlupf, zum Beispiel in der Nähe einer hohen Mauer oder eines Autos am Straßenrand: «Das sind die Anweisungen, die Israel einem gibt, wenn man dort ankommt.»
Region Aschkelon ist oft Ziel von Raketen
Aufgrund der Lage, nur wenige Kilometer nördlich des Gazastreifens, ist die Region um Aschkelon eine Gegend, die häufig mit Raketen beschossen wird. Diese Karte von Liveuamap, einer Website, die unter anderem Raketenangriffe weltweit kartiert, zeigt, dass am 22. Oktober in Aschkelon tatsächlich Alarm ausgelöst wurde und Explosionen zu hören waren.
Das nationale Notfallportal in Israel, das nur aus dem israelischen Internet erreichbar ist, beweist, dass am 22. Oktober 2023 um 11:03 Uhr an zwei Orten in Aschkelon aufgrund anfliegender Raketen Alarm ausgelöst wurde. Genau das war der Moment in der Live-Übertragung von Digi24, als Cileacu in Deckung ging, wie die Uhr oben links auf dem Bildschirm zeigt.
(Stand: 3.11.2023)
Links
Informationen über Cristina Cileacu (archiviert)
Video von Live-Übertragung Digi24 (archiviert)
Informationen über Victor Ponta (archiviert)
Facebook-Post von Victor Ponta (archiviert)
Stellungnahme von Digi24 (archiviert)
Tweet von Botschafter Azar (archiviert)
Libertatea-Artikel zum Thema (archiviert)
Lage von Ashkelon auf Google Maps (archiviert)
France24-Video über Ashkelon (archiviert, Video archiviert)
Informationen über Liveuamap (archiviert)
Nationales Notfallportal in Israel (nur in Israel verfügbar)
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