Falsche Meldung

Keine Todesstrafe aufgrund von Impfung

25.10.2023, 22:10 (CEST)

Der Nürnberger Kodex wird oft intuitiv mit Gräueltaten in Verbindung gebracht. Um die Todesstrafe geht es darin allerdings nicht. Und auch sonst stimmt an dieser Behauptung einiges nicht.

In den sozialen Netzwerken kursiert die Behauptung, es sei eine Eilmeldung enthüllt worden, dass ein Arzt in Malaysia wegen «Verabreichung einer COVID-Injektion nach dem Nürnberger Kodex getötet wurde». Was hat es damit auf sich? 

Bewertung

Der Nürnberger Kodex schützt Patienten vor experimentellen Eingriffen ohne deren Einwilligung. Um die Todesstrafe geht es in den Richtlinien nicht. In Malaysia wird die Todesstrafe gemäß eines Moratoriums von 2018 derzeit nicht vollstreckt. 

Fakten

Teil der Behauptung in den sozialen Netzwerken ist ein Video. Dieses stammt aus einem Podcast-Beitrag vom November 2022, in dem berichtet wird, in Malaysia sei der erste Arzt gemäß dem Nürnberger Kodex getötet worden, weil einer seiner Patienten nach Verabreichung der Corona-Impfung gestorben sei. Aber die Behauptung weist eklatante Fehler auf.

Medizinische Grundsätze: der «Nürnberger Kodex»

Der Nürnberger Kodex ist eine Sammlung ethischer Richtlinien, die vor dem Hintergrund des Nürnberger Ärzteprozesses zwischen 1946 und 1947 entstanden. Hier waren mehrere Ärzte wegen «Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von medizinischen Experimenten und Eingriffen» angeklagt.

Um derartige Versuche gegen den Willen von Versuchspersonen künftig zu unterbinden, wurden in der Urteilsbegründung erstmals Richtlinien für die medizinische Forschung am Menschen definiert. Der Nürnberger Kodex dient also dem Schutz des Menschen, die Todesstrafe wird hier überhaupt nicht erwähnt.

Die Impfung gegen COVID-19 wird unter Impfgegnern immer wieder mit dem Nürnberger Kodex in Verbindung gebracht. Der Präsident der Berliner Ärztekammer warnte 2022 vor einer derart missbräuchlichen Interpretation. Die Corona-Impfung verstoße nicht gegen den Kodex, denn ganz in dessen Sinne sind die Impfstoffe zunächst an Tieren und dann an Freiwilligen getestet worden.

Keine Urteilsvollstreckung: zur Todesstrafe in Malaysia

In Malaysia gilt bereits seit 2018 ein Moratorium - also ein gesetzlicher Aufschub - zur Vollstreckung von Todesurteilen. Im Juli 2023 trat eine Gesetzesänderung in Kraft. Darin wurden die sonst obligatorisch verhängten Todesurteile ausgesetzt und den Richtern ein Ermessensspielraum für alternative Strafen zugebilligt. Es werden zwar weiterhin Todesurteile ausgesprochen, seit Beginn des Moratoriums sind Amnesty International zufolge jedoch keine Hinrichtungen bekannt geworden.

In Malaysia werden unter anderem Mord (Abschnitt 302 Strafgesetzbuch, Download, S. 176), Terrorismus (Abschnitt 130C, S. 92) oder der kriegerische Aufruhr gegen den König (Abschnitt 121, S. 75) mit der Todesstrafe geahndet. Laut Amnesty International sind jedoch mit Stand 2019 fast 70 Prozent der Insassen in der Todeszelle aufgrund von Drogendelikten gemäß dem «Dangerous Drug Act 1952» (Download, S. 30) verurteilt worden.

Der Tod eines Patienten wird nicht mit der Todesstrafe geahndet, selbst das Manipulieren von Medikamenten und deren Verkauf wird nach malaysischem Strafrecht lediglich mit einer Geld- oder Gefängnisstrafe belegt (Abschnitt 274 ff., Download S.161).

Laut aktuellen Angaben der staatlichen Arzneimittelbehörde Malaysias (NPRA) sind von rund 600 in Verbindung mit einer Coronaimpfung gemeldeten Todesfällen drei auf die Impfung zurückzuführen (Download, S.5). Eine Google-Suche findet allerdings keinen Bericht über einen Fall aus Malaysia, in dem ein Arzt deswegen in irgendeiner Form juristisch belangt worden wäre.

(Stand: 24.10.2023)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Facebook-Video (archiviert)

Podcast-Beitrag (archiviert)

Inhalt des «Nürnberger Kodex» (archiviert)

Anklage im Nürnberger Ärzteprozess (archiviert)

Berliner Ärztekammer zum «Nürnberger Kodex» (archiviert)

Gesetzesänderung zur Todesstrafe in Malaysia (archiviert)

Angaben zur Todesstrafe in Malaysia (archiviert)

Strafgesetzbuch von Malaysia (archiviert)

«Dangerous Drug Act 1952» (archiviert)

Bericht der NPRA zu Impfnebenwirkungen (archiviert)

Google-Suche nach Berichterstattung (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.