Irische Behörde bestätigt

Schreiben an ukrainische Flüchtlinge in Irland ist gefälscht

9.10.2023, 16:18 (CEST)

Werden ukrainische Wehrpflichtige, die nach Irland geflohen sind, an die Ukraine ausgeliefert? Ein Informationsschreiben legt das nahe – doch es ist Vorsicht geboten.

Mit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine sind Millionen Menschen vor dem Krieg aus dem Land geflüchtet. Nun verbreitet sich in sozialen Medien ein Schreiben, wonach männliche Flüchtlinge in Irland jetzt Post von den örtlichen Behörden erhalten hätten. Sie sollen demnach an die Ukraine ausgeliefert werden, um in die Arme eingezogen zu werden. Was ist an dem Schreiben dran?

Bewertung

Nach Angaben des irischen Verteidigungsministeriums ist das Schreiben gefälscht. Zudem würde auf Grundlage der im Schreiben hinterlegten Auslieferungsübereinkünfte keine Auslieferung stattfinden.

Fakten

Im Krieg gegen Russland ist die Ukraine auf wehrpflichtige Männer angewiesen, weshalb die Militärführung Medienberichten zufolge im Sommer 2023 auch um die Einberufung weiterer Männer als Soldaten angestrebt hat. Teils verweigern Einwohner jedoch den Militärdienst, versuchen ins Ausland zu fliehen oder lassen sich mit gefälschten Dokumenten bei der Musterung als nicht wehrdienstfähig einordnen. Anfang September 2023 stellt Kiew schließlich die Auslieferung von Deserteuren, die sich im Ausland aufhalten, in den Raum.

Berichte darüber könnten Auslöser über die online verbreitete Behauptung sein, geflüchtete Ukrainer in Irland würden in einem Brief über ihre bevorstehende Auslieferung an die Ukraine informiert werden. Zum Teil ist entsprechenden Social-Media-Beiträgen sogar ein Foto des angeblichen Briefs beigefügt, das die Echtheit des Schreibens beweisen soll.

Das Bild zeigt ein Schreiben vom 7. September 2023, angeblich ausgestellt vom irischen Justizministerium. Darin heißt es, der Adressat werde wegen eines Ersuchens der ukrainischen Regierung bezüglich seiner Auslieferung kontaktiert. Sollte der Mann der Wehrpflicht nicht nachkommen, drohe ihm mindestens ein Jahr Haft. Grundlage der Auslieferung sei eine Vereinbarung aus dem Jahr 1965 und ein weiteres europäisches Übereinkommen aus dem Jahr 1957.

Doch das Schreiben ist eine Fälschung. Das irische Justizministerium warnt selbst am 12. September 2023: «Wir sind auf betrügerische Briefe im Zusammenhang einer Auslieferung aufmerksam geworden, die angeblich von unserem Ministerium stammen. Wir können bestätigen, dass diese Briefe nicht vom Justizministerium versandt wurden.»

Aber wäre eine Auslieferung aus Basis der im Fake-Schreiben angegebenen Vereinbarungen überhaupt erlaubt? Zumindest mit der Begründung der Militärverweigerung wäre ein Auslieferungsantrag wohl eher nicht gültig.

Aufschluss darüber gibt Artikel 4 des europäischen Übereinkommens. Darin ist ein Hindernis festgehalten: «Auf die Auslieferung wegen militärischer strafbarer Handlungen, die keine nach gemeinem Recht strafbaren Handlungen darstellen, ist dieses Übereinkommen nicht anwendbar.» Das heißt, wenn eine Handlung nur nach Militärrecht strafbar ist, ist eine Auslieferung nicht möglich. Selbige Aussage lässt sich auch unter Punkt 12 der irischen Vereinbarung finden.

Da die Verweigerung beziehungsweise Abwesenheit oder Desertation im Militärdienst ein Verstoß im Zusammenhang mit einer militärischen Verpflichtung ist (Irland: Defence Act, Sektion 135Deutschland: §§15 und 16 WStGUkraine: Artikel 408 Criminal Code of Ukraine) und in anderen Gesetzen nicht als strafbare Handlung festgehalten ist, wäre das Auslieferungsübereinkommen in diesem Fall also nichtig.

(Stand: 8.10.2023)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Facebook-Post mit Foto (archiviert)

Irisches Justizministerium über gefälschtes Schreiben (archiviert)

Bericht Einberufung (archiviert)

Bericht Fahnenflucht (archiviert)

Bericht Auslieferung (archiviert)

Europäisches Abkommen (archiviert)

Irisches Abkommen (archiviert)

Defence Act Irland (archiviert)

Wehrstrafgesetz (Archiviert)

Criminal Code of the Republic of Ukraine (archiviert)

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