Meldung über Panzerbesatzung

Für Bundeswehrsoldaten in der Ukraine gibt es keine Belege

28.9.2023, 16:51 (CEST), letztes Update: 28.9.2023, 16:53 (CEST)

Sind in der Ukraine Bundeswehrsoldaten im Einsatz getötet worden? Dieses Gerücht verbreitet sich seit einigen Tagen. Ursprung ist eine Meldung aus Russland. Doch diese nennt keine überprüfbare Quelle.

Ein Medienbericht aus Russland sorgt derzeit für Wirbel. Im Krieg in der Ukraine sei ein Leopard-Panzer von russischen Streitkräften zerstört worden und an Bord hätten sich deutsche Bundeswehr-Soldaten befunden, heißt es in einem Blogbeitrag. Bei der deutschen Besatzung hätte es demnach «Verwundete und Tote» gegeben. Gibt es einen Vorfall, der beweist, dass die Bundeswehr aktiv am Krieg in der Ukraine beteiligt ist?

Bewertung

Es gibt keine Belege, dass die Geschichte stimmt. Quelle ist eine Meldung der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti, die sich auf einen anonymen russischen Soldaten beruft. Das deutsche Verteidigungsministerium dementiert auf dpa-Anfrage, dass Bundeswehrsoldaten in der Ukraine im Einsatz seien.

Fakten

Die Geschichte der angeblichen Bundeswehr-Soldaten in der Ukraine kursiert in Blogbeiträgen und verschiedenen Social-Media-Kanälen. Auch das deutschsprachige russische Propagandamedium «RT DE» verbreitete die angebliche Nachricht. Sie geht zurück auf eine Meldung der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti vom 23. September.

Ria berichtet, russische Soldaten hätten in der südukrainischen Region Saporischschja einen Leopard-Panzer zerstört. Die Agentur beruft sich auf Schilderungen eines Kommandanten einer russischen Spezialeinheit, die unter dem Namen «Legende» kämpfe.

Bundeswehrsoldat soll «nicht schießen» gerufen haben

Die Spezialeinheit habe, so die Schilderungen, neben getöteten Soldaten den schwer verletzten Fahrer des Panzers gefunden. Dieser habe - Ria schreibt es auf Deutsch - «nicht schießen» gerufen. Außerdem habe er gesagt, dass er Bundeswehrsoldat sei und «kein Söldner». Angeblich habe er auch «seine Brigade und deren Standort» genannt. Diese werden in der Ria-Meldung aber nicht genannt. Der angebliche deutsche Soldat sei dann gestorben, heißt es weiter.

Außer diesen anonymen und undatierten Schilderungen gibt es keine Belege für die Existenz einer Panzerbesatzung aus Bundeswehrsoldaten im Krieg in der Ukraine. Sie lassen sich anhand der Meldung von Ria auch nicht prüfen, denn die Agentur nennt keinerlei Merkmale zur Identifizierung der angeblichen deutschen Soldaten. Dennoch wurde die Meldung vielfach ungeprüft übernommen, zum Beispiel in Social-Media-Beiträgen.

Kein Bundeswehr-Einsatz, aber Waffenlieferungen in die Ukraine

Eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministerium in Berlin teilt auf dpa-Anfrage nur allgemein mit: «Es sind keine Bundeswehrsoldatinnen oder -soldaten in der Ukraine im Einsatz.» Glaubhafte Hinweise auf das Gegenteil gibt es nicht.

Für einen solchen Einsatz müsste die Bundeswehr ein Mandat durch den Bundestag erhalten. Ein solches hat dieser jedoch nicht beschlossen.

Der Bundestag hat aber für Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine gestimmt. Anfang des Jahres entschied die Bundesregierung, der Ukraine auch Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 zur Verfügung zu stellen. Leopard-Panzer erhielt die Ukraine auch aus anderen Ländern, zum Beispiel Polen oder Kanada. Zuletzt sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass Kampfpanzer vom Typ Abrams aus den USA in seinem Land eingetroffen seien.

Ausbildung für ukrainische Soldaten erfolgt in Deutschland

Ukrainische Soldaten werden durch die Bundeswehr für den Umgang mit Leopard-Panzern ausgebildet - allerdings nicht in der Ukraine, sondern an Bundeswehr-Standorten in Deutschland. Auch die US-Armee bildet Ukrainer in Deutschland aus, und zwar auf ihrem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern.

Unter Völkerrechtsexperten gibt es eine Debatte, ab welchem Punkt der Unterstützung ein Land selbst zur Kriegspartei wird - ob also zum Beispiel Waffenlieferungen oder Ausbildung rechtlich einen Eintritt Deutschlands in den Krieg in der Ukraine bedeuten würden. Im Frühjahr 2022 hatte ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages für Aufsehen gesorgt, wonach eine Ausbildung ukrainischer Soldaten eine Kriegsbeteiligung darstellen könne.

Die Stiftung Wissenschaft und Politik schrieb hingegen Anfang 2023, dass Völkerrechtler mit großer Mehrheit davon ausgingen, Deutschland sei bislang nicht Kriegspartei geworden. Der Aggressor Russland hat bislang nicht offiziell erklärt, dass er westliche Unterstützung für die Ukraine als Kriegseintritt betrachtet.

Berichte über deutsche Staatsbürger im Ukraine-Krieg

Es gibt aber durchaus Berichte, wonach deutsche Staatsbürger am Krieg in der Ukraine beteiligt sein könnten. Im Juli berichtete die «Welt am Sonntag» unter Berufung auf das Bundesinnenministerium von 39 Personen, die seit dem Beginn der russischen Invasion möglicherweise mit Kampfabsicht aus Deutschland ausgereist seien. 27 seien pro-russisch und zwölf pro-ukrainisch orientiert. Das Ministerium sieht demnach bei vielen dieser Ausgereisten einen extremistischen Hintergrund.

Die Zeitung schrieb auch von «einer Reihe ehemaliger Soldaten» - zum Teil bei der Bundeswehr ausgebildet, die sich der Internationalen Legion der Ukraine angeschlossen hätten. Das «Redaktionsnetzwerk Deutschland» berichtete im Februar 2023 über einen anonymen ehemaligen Bundeswehrsoldaten, der für eine Spezialeinheit dieser Legion kämpfen soll.

(Stand: 28.9.2023)

Links

Bericht von RT DE (23.9.2023) (archiviert)

Meldung von Ria Novosti über angeblichen Vorfall (23.9.2023, Russisch) (archiviert)

Beschluss des Bundestages über Waffenlieferungen an die Ukraine (28.4.2022) (archiviert)

Bundesregierung über Lieferung von Leopard-Panzern (25.1.2023) (archiviert)

dpa-Meldung über Eintreffen von Abrams-Panzern in der Ukraine (25.9.2023) (archiviert)

ZDF-Bericht über Ausbildung ukrainischer Soldaten durch die Bundeswehr (18.8.2023) (archiviert)

BR-Bericht über US-Ausbildung in Grafenwöhr (14.7.2023) (archiviert)

Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages (16.3.2022) (archiviert)

Stiftung Wissenschaft und Politik über Waffenlieferungen (Februar 2023) (archiviert)

Bericht der «Welt am Sonntag» über deutsche Kämpfer in der Ukraine (29.7.2023) (archiviert)

«Redaktionsnetzwerk Deutschland» über ehemaligen Bundeswehrsoldaten (28.2023, Bezahlinhalt) (archiviert)

Blogbeitrag zum Thema (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

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