Haus steht in Polen
Angebliches Anti-Selenskyj-Graffiti ist Behörden nicht bekannt
22.9.2023, 12:28 (CEST)
In sozialen Netzwerken verbreiten User einen vermeintlichen Screenshot der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ): Laut dem Bericht sucht die Polizei in Berlin angeblich nach dem Urheber eines Graffitis, das gegen den Präsidenten der Ukraine gerichtet ist. Das gesprayte Bild soll dem Screenshot zufolge Wolodymyr Selenskyj zeigen, der in den abgetrennten Arm eines ukrainischen Soldaten beißt. «Kannibale» steht daneben. Ein weiterer Screenshot legt nahe, dass auch die Deutsche Welle (DW) über den Vorfall berichtet hat. Gibt es diesen Fall wirklich?
Bewertung
Falsch. Ein Sprecher der Polizei Berlin bestätigte der Deutschen Presse-Agentur: Ein solcher Fall ist der Behörde nicht bekannt. Die beiden Medien haben diese Artikel nie veröffentlicht. Außerdem steht das Haus, an dem das Graffiti angeblich zu sehen sein soll, nicht in Berlin, sondern in Polen.
Fakten
Die Berliner Polizei veröffentlicht zum Einsatzgeschehen in der Hauptstadt regelmäßig Pressemitteilungen. Zu dem angeblichen Graffiti lassen sich dort jedoch keine Informationen finden. Den Beamten liegen auch keine Erkenntnisse zu diesem Graffiti vor, wie ein Sprecher auf dpa-Anfrage bestätigte: «Anzeigen bezüglich solcher Graffitis sind bei der Polizei Berlin bisher nicht eingegangen, sodass es auch keine aktuellen Ermittlungsverfahren gibt.» Es handelt sich also um eine Falschmeldung.
Bei den kursierenden Screenshots handelt es sich um Fälschungen, das zeigen Suchen auf den Webseiten der betroffenen Medien: Auf der FAZ-Seite existiert kein Artikel mit der angeblichen Überschrift. Ebenso fehlt bei der Deutschen Welle ein entsprechender Bericht über den vermeintlichen Vorfall. Gegenüber den georgischen Faktencheckern von «Myth Detector» bestätigten beide Medien bereits, dass die Screenshots gefälscht sind.
Auffällig ist außerdem, dass entgegen der üblichen deutschen Transkription der Nachname von Wolodymyr Selenskyj in unterschiedlichen Schreibweisen vorkommt: Auf einem der Screenshots steht zuerst «Zelensky» und im nächsten Satz «Zelinsky».
Gebäude auf Screenshot-Bild steht in Warschau, nicht in Berlin
Das Haus, an dem das vermeintliche Graffiti zu sehen sein soll, steht derweil in der polnischen Hauptstadt Warschau - nicht in Berlin. Das zeigt ein Abgleich mit Aufnahmenbei Google Street View. Die Hausnummer und der Straßenname am Gebäude wurden offenbar per Bildbearbeitung entfernt und die polnische Flagge mit einer deutschen Fahne ausgetauscht. US-Faktenchecker von «Lead Stories» hatten darüber berichtet.
Ein Pressesprecher der polnischen Polizei erklärte gegenüber Correctiv, die Behörde habe keine Kenntnis von einem solchen Graffiti in Warschau. Zudem veröffentlichten die Faktenchecker von «Myth Detector» aktuelle Bilder des Hauses. An der Hauswand ist das vermeintliche Graffiti nicht zu sehen. Das alles spricht dafür, dass es dieses Graffiti nie gegeben hat.
Falsches Graffiti auch in Frankreich
Unterdessen ist auch in Frankreich kürzlich eine Geschichte über ein erfundenes Graffiti aufgetaucht. Dort kursierte ein Screenshot von der französischen Zeitung «Le Point». Doch das vermeintliche Graffiti von Wolodymyr Selenskyj in Paris existiert ebenfalls nicht, wie ein dpa-Faktencheck auf Französisch zeigt.
Seit Beginn der großflächigen russischen Invasion in der Ukraine ist der ukrainische Präsident immer wieder Gegenstand von prorussischer Desinformation. Die Beiträge zielen darauf ab, Selenskyj zu diskreditieren. Auch in diesem Fall fanden die gefälschten Screenshots zu den erfundenen Graffitis in Berlin und Paris vor allem Verbreitung über russische Medien und Telegram-Kanäle.
(Stand: 22.9.2023)
Links
Pressemitteilungen der Polizei Berlin (archiviert)
Suche nach FAZ-Artikel (archiviert)
Suche nach DW-Bericht (archiviert)
Faktencheck von «Myth Detector» (archiviert)
Standort des Hauses auf Google Maps (archiviert)
Aufnahme 1 des Hauses bei Google Street View (archiviert)
Aufnahme 2 des Hauses bei Google Street View (archiviert)
Faktencheck von «Lead Stories» (archiviert)
Faktencheck von Correctiv (archiviert)
Beitrag auf russischer Medienseite (archiviert)
Beitrag in Telegram-Kanal (archiviert)
dpa-Faktencheck zu Fake-Graffiti in Paris
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