Elektromagnetische Felder

Keine Hinweise auf krebserregende Strahlung in Elektroautos

17.11.2023, 08:41 (CET)

Elektromagnetische Felder können auf ihre Umwelt einwirken und bei Menschen zu Schwindel und Übelkeit führen, Nerven und Muskeln reizen oder Gewebe erwärmen. User teilen nun unbelegte Behauptungen.

Neue Technologien bringen nicht nur neue Möglichkeiten mit sich, manchmal lösen sie auch Verunsicherung aus. So kursiert im Netz nun ein Video, das sich mit den vermeintlichen Folgen von Elektrofahrzeugen für den Menschen befasst. Ein Mann behauptet darin, dass von Elektroautos eine krebserregende Strahlung ausgehe. In diesem Zusammenhang spricht er später von einer «regelrechten Strahlenerkrankung» und von Schädigungen am Erbgut. Geht von Elektroautos wirklich eine krebsauslösende Strahlung aus?

Bewertung

Nach derzeitigem Forschungsstand gibt es keine Hinweise auf eine krebserregende Wirkung von elektromagnetischen Feldern in Elektroautos. Das bestätigten das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sowie eine Expertin vom Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu) der Uniklinik RWTH Aachen gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Fakten

Wenn von Strahlung die Rede ist, denken viele Menschen wohl zunächst an Radioaktivität. Der Mann spricht aber von Elektroautos und bezieht sich damit auf elektromagnetische Felder (EMF). Dass er in diesem Zusammenhang von einer «Strahlenerkrankung» redet, mit der üblicherweise Gesundheitsschäden nach einem radioaktiven Strahlenunfall assoziiert werden, ist irreführend.

Energie zu schwach: Keine Erbgut-Veränderungen durch EMF

Zum Thema Elektroautos hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine Übersichtsseite veröffentlicht. «Wie überall, wo Elektrizität genutzt wird, treten bei der Elektromobilität elektrische und magnetische Felder auf», erklärt die Behörde. Wichtig ist: Elektromagnetische Felder gehören zur nichtionisierenden Strahlung.

Anders als bei ionisierender Strahlung, zu der etwa Röntgen- und Gammastrahlung zählt, reicht bei elektromagnetischen Feldern die transportierte Energie grundsätzlich nicht aus, «um das Erbmaterial direkt zu schädigen und damit unmittelbar an der Entstehung von Krebs beteiligt zu sein», schreibt das BfS. Auch der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg sowie die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) kommen zu gleichlautenden Einschätzungen.

Welche Felder treten bei Elektrofahrzeugen auf?

Die Bezeichnung EMF ist ein Oberbegriff. Anhand von Frequenz oder Wellenlänge wird zwischen statischen, niederfrequenten elektrischen und magnetischen sowie hochfrequenten elektromagnetischen Feldern unterschieden. Welche Felder kommen beim Elektroauto also vor?

Das ist unterschiedlich. In Fahrzeugen gibt es verschiedene Quellen für elektromagnetische Felder. So gehören heute zahlreiche Assistenz- und Funksysteme, deren Frequenzen unter anderem im Hochfrequenzbereich liegen können, sowie Klimaanlagen und Sitzheizungen zur serienmäßigen Ausstattung - egal ob Verbrenner oder Elektroauto. Wenn von EMF in Elektrofahrzeugen gesprochen wird, dann geht es aber vor allem um jene Felder, die vom Antrieb (Elektromotor) und der zusammenhängenden Technik (Batterie, Verkabelung etc.) sowie vom Laden ausgehen.

Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz liegen die bei der Elektromobilität entstehenden Felder bei Frequenzen zwischen null Hertz bis zu mehreren zehn oder hundert Kilohertz. Es treten also vor allem Felder im Niederfrequenz- sowie im Zwischenfrequenzbereich auf. Besonders die Magnetfelder seien demnach relevant.

In Untersuchungen hat sich bereits 2009 gezeigt, dass vom Antrieb ausgehende Magnetfelder in Elektro- und Hybridfahrzeugen lokal sehr begrenzt auftreten. Die höchsten Werte seien häufig im Fußraum vor den Vordersitzen gemessen worden. An anderen Stellen, zum Beispiel im Kopf- oder Rumpfbereich, waren sie deutlich niedriger. Laut dem BfS hängen die Magnetfelder vom technischen Design des Fahrzeugs und dem Betriebszustand (Bremsen/Beschleunigen) ab - nicht von der elektrischen Leistung der Elektromotoren. An einer neuen Studie zu aktuellen Fahrzeugen werde laut einer Sprecherin derzeit gearbeitet.

Keine Hinweise auf krebserregende Wirkungen von EMF in Elektroautos

Am Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu) der Uniklinik RWTH Aachen befassen sich Wissenschaftler mit den Wirkungen von elektromagnetischen Feldern auf den Menschen. «Uns liegen keine Hinweise vor, dass Magnetfelder von Elektrofahrzeugen krebserregend sind», erklärte Sarah Drießen auf dpa-Anfrage. Die Wirkungen von Magnetfeldern von E-Fahrzeugen seien bisher noch nicht so erforscht wie die Magnetfelder von anderen Techniken (wie zum Beispiel der Stromversorgung). Besonders zu den Langzeitwirkungen von Magnetfeldern im Zwischenfrequenzbereich ist die Datenlage begrenzt, sagte die femu-Expertin.

Auch das BfS weist auf die begrenzte Datenlage bezüglich zwischenfrequenter Felder hin. Das hatte ein vom BfS beauftragter und 2018 veröffentlichter Bericht ergeben, an dem auch das femu beteiligt war. Nach derzeitigem Kenntnisstand gehen von den zwischenfrequenten Feldern aber keine gesundheitlichen Wirkungen aus, schreibt die Behörde.

Bezüglich EMF im Niederfrequenzbereich hatte die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2002 vorsorglich eine Einstufung in der Klasse 2B als «möglicherweise krebserregend» vorgenommen. Hintergrund dafür waren epidemiologische Beobachtungen, die einen möglichen statistischen Zusammenhang des Auftretens von Leukämie bei Kindern und einer vorherigen langzeitigen Magnetfeldexposition nahelegen. Diese Wirkungen sind allerdings bisher nicht gesichert und werden wissenschaftlich weiter diskutiert, wie Sarah Drießen einordnete.

Auch das BfS weist in diesem Zusammenhang auf die geschwächte Aussagekraft der epidemiologischen Studien hin. Weitere experimentelle Untersuchungen hätten «ein krebsauslösendes oder krebsförderndes Potenzial von Magnetfeldern bis heute nicht bestätigen» können. Bei Erwachsenen ergaben sich keine Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko.

EMF-Portal bündelt Informationen - auch zu nachgewiesenen Wirkungen

Für die Behauptung, elektromagnetische Felder in Elektroautos lösen Krebs aus, gibt es also aus wissenschaftlicher Sicht bisher keine Hinweise. Sie ist mit heutigem Wissensstand als falsch zu bewerten.

Über nachgewiesene gesundheitliche und biologische Wirkungen von EMF können sich Bürgerinnen und Bürger derweil beim BfS sowie auf dem «EMF-Portal» informieren. Dort fasst das femu-Team wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu diesem Thema zusammen.

(Stand: 14.11.2023)

Links

BfS zum Strahlenschutz bei der Elektromobilität (archiviert)

BfS über elektromagnetische Felder (EMF) (archiviert)

BfS über ionisierende Strahlung (archiviert)

BfS über Strahlenunfall und Strahlenkrankheit (archiviert)

Krebsinformationsdienst über EMF (archiviert)

Deutsche Krebsgesellschaft zu EMF (archiviert)

BfS-Forschungsbericht von 2009 (archiviert)

BfS-Forschungsbericht von 2018 (archiviert)

BfS zur Risikobewertung der WHO (archiviert)

Über femu (archiviert)

Webseite «EMF-Portal» (archiviert)

Zwischenfrequenzbereich auf «EMF-Portal» (archiviert)

Niederfrequenzbereich auf «EMF-Portal» (archiviert)

Facebook-Post (archiviert / archiviertes Video)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.