Keine Zensur gefordert

Harari hat nur das Prinzip von Verschwörungstheorien erklärt

22.8.2023, 12:22 (CEST)

Verschwörungstheorien bieten oft einfache Erklärungen für komplexe Probleme. Davor zu warnen, bedeutet aber nicht, eine Zensur zu fordern.

Ist die Welt ganz anders, als es uns erscheint? In den vergangenen Jahren haben Verschwörungstheorien zum Weltgeschehen besonders in den sozialen Netzwerken Zulauf bekommen. Laut einem Facebook-Post soll der Historiker Yuval Harari nun gefordert haben, «sogenannte "Verschwörungstheoretiker" aus dem Internet zu verbannen», weil sie glauben, dass «eine globale Clique von Eliten die Welt kontrolliert». Was ist da dran?

Bewertung

Harari hat nichts dergleichen gesagt. Er sprach in einem Podcast über die Gefahr, die von Verschwörungstheorien ausgeht. An keiner Stelle hat er sich dazu geäußert, Verschwörungstheoretiker aus dem Internet zu verbannen.

Fakten

Die Behauptung geht auf einen Artikel der Webseite «Azernews» zurück. Dort wird berichtet, Harari habe in einem Podcast die Theorie einer im Verborgenen agierenden Elite als «gefährlich» bezeichnet. Die Annahme sei darum so attraktiv, weil sie so einfach sei: Sobald man sich dieser Gruppe entledige, wären alle Probleme der Welt gelöst. Nicht einmal in dem Artikel wird also behauptet, Harari wolle Verschwörungstheoretiker aus dem Internet verbannen.

Der Podcast (Downloadlink), in dem Yuval Harari sprach, ist ebenso vollständig im Netz zu finden, wie das zugehörige Transkript. Im Abschnitt über Verschwörungstheorien erklärt der Historiker die Theorie von der «globalen Kabale». Diese trete in verschiedenen Variationen auf, besage aber im Prinzip, dass eine kleine Gruppe im Geheimen das Weltgeschehen kontrolliere: Kriege, Revolutionen, Epidemien oder die 5G-Technologie seien einzig auf diese Personengruppe zurückzuführen.

Diese Erklärung ermögliche es den Menschen, alle Verantwortung für schlimme Dinge auf diese Gruppe abzuwälzen. «Außerdem wird dadurch diese utopische Fantasie geschaffen: "Wenn wir nur die kleine Kabale loswerden, haben wir alle Probleme der Welt gelöst. Die Erlösung." Der israelisch-palästinensische Konflikt, der Krieg in der Ukraine, die Epidemien, die Armut, alles wird gelöst, indem man diese kleine Kabale ausschaltet.», beschrieb Harari in dem Podcast das Prinzip hinter dieser Verschwörungstheorie.

Der Historiker sprach allerdings an keiner Stelle davon, die Urheber oder Verbreiter solcher Theorien aus dem Internet verbannen zu wollen. Im Gegenteil zeigt er sogar ein gewisses Verständnis dafür: So zeigten Verschwörungstheorien authentisch die Angst vieler Menschen, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Außerdem glaubten viele ernsthaft daran, dahinter stecke kein böser Wille.

Dass er selbst nun Teil solcher Konstrukte sei, frustriere ihn. Er habe das Gefühl, dass die Leute die richtigen Absichten und «eine Nervosität, eine Angst vor Macht und Machtmissbrauch» haben – «ich habe die auch». Aus Hararis Sicht stelle sich vielmehr die Frage, ob man sein Leben damit verbringen wolle, Hass zu verbreiten oder seine Energie auf konstruktive Projekte zu verwenden, um etwas zu bewegen.

(Stand: 21.8.2023)

Links

Facebook-Post(archiviert)

Artikel bei «Azernews»(archiviert)

Video zum Podcast (Downloadlink)(archiviert)

Transkript zum Podcast (archiviert)

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