Keine Kapitulation
Drohnenvideo zeigt Gefangenenaustausch in der Ukraine
1.8.2023, 07:35 (CEST), letztes Update: 1.8.2023, 18:29 (CEST)
In der Ukraine läuft im Sommer 2023 die Gegenoffensive zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete im Osten und im Süden des Landes. Eine abschließende Bewertung über ihren Erfolg oder Misserfolg ist noch kaum möglich. Doch in sozialen Medien verbreiten sich Videos, die angeblich Belege dafür liefern, wie schlecht es für die ukrainische Armee laufen soll: «Drohnenaufnahmen zeigen, wie sich die ersten Truppenverbände kampflos ergeben und mit weißer Fahne am Panzer auf die russische Armee zufahren», heißt es zu einem Video.
Darin sind mindestens 50 Menschen, mutmaßlich Soldaten, und mindestens ein Dutzend gepanzerte Fahrzeuge auf einem Weg zwischen Feldern zu sehen. An den meisten Fahrzeugen sind auch wehende weiße Flaggen zu erkennen. Doch sich ergebende Truppen zeigt das Video nicht.
Bewertung
Die Videobeschreibung ist falsch. Der Clip zeigt einen Gefangenenaustausch zwischen der ukrainischen Armee und der russischen Wagner-Gruppe nahe der Stadt Bachmut, über den am 25. Mai 2023 berichtet wurde.
Fakten
Eine Bilderrückwärtssuche mit Ausschnitten des Videos führt etwa zum YouTube-Kanal der britischen Zeitung «The Telegraph». Dort finden sich sehr ähnliche Aufnahmen der Szene, veröffentlicht am 26. Mai 2023. Aus der Videobeschreibung und dem begleitenden Artikel von «The Telegraph» geht hervor, dass die Szenen einen Gefangenenaustausch zwischen der ukrainischen Armee und der Wagner-Gruppe zeigen. Erkennbar sind die weißen Flaggen, Pfützen und eine charakteristische Vertiefung in einem abzweigenden Weg neben der Kolonne.
Dieser Gefangenenaustausch ist in mehreren weiteren Quellen belegt. Sowohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch sein Präsidialamtsleiter Andrij Jermak berichteten am 25. Mai 2023 auf ihren Telegram-Kanälen über den Austausch. Die ukrainische Koordinierungsstelle für die Behandlung von Kriegsgefangenen hat ebenfalls am 25. Mai 2023 eine Nachricht darüber auf Telegram gepostet.
Außerdem gibt es ukrainische Nachrichtenartikel darüber. Am 25. Mai 2023 kehrten diesen Angaben zufolge 106 ukrainische Soldaten nach Hause zurück, die in Bachmut gekämpft hatten. Die mittlerweile russisch besetzte Stadt an der Front im Süden der Ukraine war lange stark umkämpft und ist es weiterhin.
Die ukrainische Zeitung «Prawda» veröffentlichte auf Twitter auch ein Video, das aus leicht anderer Perspektive ebenfalls jene Szene zeigt, die auf Facebook mit der Falschbehauptung zur vermeintlichen Ergebung kursiert. Laut «Prawda» zeigt das Video die 93. Brigade, die an dem Austausch beteiligt war. Mit dem Abzeichen der ukrainischen Brigade kursieren weitere Versionen des Videos.
Wie viele russische Soldaten an dem Austausch beteiligt waren, wurde nach derzeitigem Stand nicht bekannt gegeben. Der Austausch wurde allerdings auch von russischen Quellen gemeldet. So gibt es eine Telegram-Nachricht der russischen Menschenrechtsbeauftragten Tatjana Moskalkowa. Die Anzahl der ausgetauschten Gefangenen wird dort nicht erwähnt, sondern nur, dass die Wagner-Gruppe den Austausch durchgeführt hat.
Auch der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, veröffentlichte ein Video des Gefangenenaustausches. Demnach seien von russischer Seite auch die Leichen eines im Kampf getöteten US-Amerikaners und eines Türken übergeben worden.
(Stand: 31.07.23)
Links
Wie eine Bilderrückwärtssuche funktioniert (archiviert)
Youtube-Video von «The Telegraph» zur Szene (archiviert)
Bericht von «The Telegraph» über Gefangenenaustausch (archiviert)
Äußerung von Wolodymyr Selenskyj zum Gefangenenaustausch (archivert)
Äußerung von Andrij Jermak zum Gefangenenaustausch (archiviert)
Äußerung der ukrainischen Koordinierungsstelle für die Behandlung von Kriegsgefangenen (archiviert)
Artikel der ukrainischen Zeitung «Prawda» zum Gefangenenaustausch (archiviert)
Video von «Prawda» auf Twitter (archiviert)
Abzeichen der 93. mechanisierten Brigade (archiviert)
Weiteres Video der Szene mit dem Logo (archiviert)
Telegram-Nachricht der russischen Menschenrechtsbeauftragten Tatjana Moskalkowa (archiviert)
Nachricht auf dem Telegram-Kanal von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (archiviert)
Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert, Video archiviert)
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