Falscher Kontext
Lidl-Markt in Wattrelos brannte bei Unruhen im Juni
27.7.2023, 10:05 (CEST), letztes Update: 27.7.2023, 10:13 (CEST)
Einkaufen im Supermarkt per App, ohne Anstehen an der Kasse: Vereinzelt gibt es das schon. Aber manche Menschen lehnen das ab. Im nordfranzösischen Lille sei ein Lidl-Markt «gerade» abgebrannt, «der Kunden den Zugang nur per App erlaubte», schreiben Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke. Zünden Brandstifter etwa Supermärkte an, weil die zum Einkaufen eine App verlangen?
Beurteilung
Die zeitliche Einordnung ist falsch und auch der tatsächliche Hintergrund des Feuers fehlt. Das geteilte Video zeigt den Brand eines Lidl-Marktes in Wattrelos an der belgischen Grenze, nordöstlich der Großstadt Lille. Das Gebäude ging bereits während der Unruhen in Frankreich Ende Juni in Flammen auf.
Fakten
Im Video ist Wattrelos als Ort des Brandes angegeben, doch die deutschen Verbreiter verlegen das Geschehen in die gut 13 Kilometer entfernte Metropole Lille. Im Video ist auch zu erkennen, dass die Bilder von dem Account «inforoubaix» geteilt wurden.
Auf Instagram und TikTok zeigen die Accounts von «inforoubaix» eine längere Version des gleichen Videos. Dort wird auch genau derselbe französische Text eingespielt wie bei den Videos, die in Deutschland verbreitet werden. Das Video scheint ursprünglich von der Plattform Snapchat zu kommen, was man an der Form der Kamera und dem Chat-Balken am unteren Bildrand erkennen kann. Auf Snapchat ist das Video nicht mehr zu finden, weil solche Beiträge dort nach 24 Stunden verschwinden. Auf anderen Social-Media-Profilen gibt «inforoubaix» an, auch einen Snapchataccount zu betreiben.
«Inforoubaix» teilte das Video schon am 29. Juni 2023. Dreieinhalb Wochen später zu verbreiten, der Discounter «ist gerade abgebrannt», ist also zumindest irreführend. Tatsächlich bestätigen Artikel in verschiedenen französischen Medien, dass in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 2023 ein Lidl-Markt in Wattrelos in Flammen stand. Auch andere Gebäude in der Gemeinde wurden beschädigt.
Ursache dafür war dem Sender BFM-TV zufolge die Gewalt, die in verschiedenen französischen Städten ausbrach, nachdem ein Polizist einen 17-Jährigen in Nanterre bei Paris erschossen hatte. Auch in anderen Orten in Nordfrankreich wie Mons-en-Barœul und Lille gab es in dieser Nacht Ausschreitungen.
Kein Hinweis auf App-Einführung bei Lidl
Das Feuer brach also im Kontext der heftigen Unruhen aus, die Frankreich Ende Juni und Anfang Juli erschütterten. Der Hinweis in den deutschen Postings, der Lidl-Markt in Wattrelos habe «seinen Kunden den Zugang nur noch per App» erlaubt, stellt also einen völlig falschen Zusammenhang her. Dies gilt umso mehr, als online nichts über irgendwelche Pläne von Lidl zu finden ist, in Wattrelos oder anderen französischen Filialen so etwas einzuführen.
In Lille hat die Supermarktkette Auchan ein solches System im Jahr 2021 lanciert. Damals eröffnete ein Auchan Go auf einem Hochschulcampus der Stadt, wo Zugang und Bezahlen über eine App geregelt werden.
Mit Supermärkten ohne Kasse wird auch in Deutschland experimentiert. In München machte ein Pilotprojekt der Rewe-Kette Schlagzeilen, bei dem man seit Dezember 2022 kassenlos nur mit einer App auf dem Handy einkaufen kann.
Es gibt keine Indizien, dass dies bei Lidl im nordfranzösischen Städtchen Wattrelos ebenfalls so gewesen wäre. Allerdings klingelt dort auch die Kasse derzeit nicht, denn der Laden ist bis auf weiteres geschlossen.
(Stand: 26.07.2023)
Links
Facebookpost I (archiviert) (Video archiviert)
Luftlinie Lille-Wattrelos (archiviert)
Video von Inforoubaix auf Instagram und TikTok (hier und hier archiviert) (Video archiviert)
Inforoubaix TikTok-bio (archiviert)
Über den Brand bei Lille.Actu und BFM-TV (hier und hier archiviert)
DLF über die Unruhen (archiviert)
Über den App-Supermarkt in Lille (archiviert)
Pilotprojekt in München I (archiviert)
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