Fake über Hunter Biden
Frau von Ex-Burisma-Besitzer lebt - Buchhalter-Job erfunden
26.7.2023, 17:16 (CEST)
Über die Finanzgeschäfte des Sohns von US-Präsident Joe Biden, Hunter Biden, haben die Republikaner im US-Repräsentantenhaus Untersuchungen angestoßen. Besonders im Fokus: dessen Zeit im Aufsichtsrat eines ukrainischen Gaskonzerns zwischen 2014 und 2019. Über diese politischen Untersuchungen verbreitet sich nun vermeintlich Ungeheuerliches: Die Chefbuchhalterin der ukrainischen Burisma Energy habe den US-Behörden vernichtende Beweise für Finanzverbrechen im Zusammenhang mit Joe und Hunter Biden in Aussicht gestellt, heißt es in sozialen Medien. Nun sei aber die vermeintliche Hinweisgeberin - angeblich die Ehefrau des ehemaligen Burisma-Besitzers - «vor einigen Tagen tot aufgefunden» worden, «bevor sie aussagen konnte».
Bewertung
Falsch, das ist erfunden. Die Frau ist ihren Anwälten zufolge weiterhin am Leben und hat nicht als Burisma-Buchhalterin gearbeitet. Es gibt zudem keinen Beleg, dass eine andere Hinweisgeberin in diesem Fall kürzlich verstorben sein soll.
Fakten
Die Ehefrau des ehemaligen Burisma-Besitzers Nikolai Lisin (auch unter dem Namen Mykola Lisin bekannt) lässt sich anhand von älteren ukrainischen Medienberichten als Marina Lisina identifizieren. Doch Marina Lisina ist lebendig und war niemals Buchhalterin bei Burisma. Das teilte die ukrainische Anwaltskanzlei, die Lisina in der Vergangenheit vertreten hatte, Faktencheckern des US-Portals «Lead Stories» mit, wie diese am 19. Juni 2023 berichten. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte die Kanzlei am 25. Juli erneut die Richtigkeit der Angaben.
Nikolai Lisin war ein ukrainischer Unternehmer und Parlamentsabgeordneter. Er starb im April 2011 bei einem Autounfall mit seinem Lamborghini. Die Besitzverhältnisse des ukrainischen Gaskonzerns Burisma, der auch im Visier von Korruptionsermittlungen war, sind nicht vollständig geklärt. Ein Dokument der US-Börsenaufsichtsbehörde aus dem Jahr 2009 weist Lisin aber neben seinem Geschäftspartner Nikolai Slotschewski als Besitzer von Burisma aus - zumindest zu diesem Zeitpunkt.
Ob es sich bei der Nennung der Ehefrau des Burisma-Besitzers um eine Verwechslung handelt, ist unklar. Es wird in den kursierenden Behauptungen kein angebliches Todesdatum oder ein Sterbeort genannt. So gibt es kaum Anhaltspunkte, um zu recherchieren, ob überhaupt eine Zeugin zu Tode gekommen ist. Belege gibt es jedenfalls keine: Seriöse Medienberichte zu einem solchen Todesfall sind nicht auffindbar.
Auch ein Blick auf den Ursprung der These lassen Zweifel aufkommen: In US-amerikanischen Blogbeiträgen wird als Quelle auf ein Interview des rechten Senders «Newsmax» mit Rudy Giuliani, dem ehemaligen Anwalt von Ex-US-Präsident Donald Trump, vom 10. Juni verwiesen.
Giuliani spricht darin über eine parlamentarische Untersuchung der Republikaner im US-Repräsentantenhaus. Diese Untersuchung des wichtigen Ausschusses für Aufsicht und Reformen beschäftigt sich mit internationalen Geschäften von US-Präsident Joe Biden und seinem Sohn Hunter. Konkret geht es dabei um Geschäfte in der Ukraine: Hunter Biden hatte zwischen 2014 und 2019 einen lukrativen Posten im Aufsichtsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma inne, während Joe Biden als US-Vizepräsident federführend für die Ukraine zuständig war. Die US-Republikaner werfen den Bidens Korruption und Bestechlichkeit vor. Tatsächliche Beweise dafür gibt es bisher nicht.
Gegenüber «Newsmax» wirft Giuliani den US-Behörden Untätigkeit bei der Untersuchung der republikanischen Korruptionsvorwürfe gegenüber den Bidens vor. Es spricht aber nicht davon, dass die angebliche Burisma-Whistleblowerin tot sei. Er erwähnt nur eine Zeugin, die er angeblich im Januar 2020 den US-Behörden vermittelt habe.
In dem Videointerview sagte Giuliani (ab 2:20 Minute): «Ich habe ihnen eine Zeugin genannt, für die jeder Ermittler alles tun würde, um sie aufzusuchen, ich habe ihnen die Zeugin genannt, eine Frau, die die Hauptbuchhalterin dieser betrügerischen Firma Burisma war. Sie war die Frau des früheren Inhabers, der unter verdächtigen Umständen ums Leben kam. Und sie war bereit, alle Offshore-Bankkonten preiszugeben, auch die der Bidens, und sie beaufsichtigte die Überweisung von viel mehr Geld an die Bidens und andere korrupte Politiker für Burisma.»
Giuliani kritisierte, dass Staatsanwälte den Fall der Zeugin nicht behandelt hätten. «Und die Frau erhielt Todesdrohungen», sagte er. Ob diese Aussagen zutreffen, lässt sich nicht verifizieren. Doch dass sie tot aufgefunden wurde, sagte Giuliani an keiner Stelle des Interviews.
Hunter Biden ist schon seit Jahren ein Ziel politischer Angriffe aus den Reihen der Republikaner, allen voran von Ex-Präsident Donald Trump. Trump wollte zu seinen Geschäften Ermittlungen in der Ukraine erreichen. Der Konflikt brachte ein erstes Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ins Rollen, das im Februar 2020 an der republikanischen Mehrheit im Senat scheiterte.
Auch um intime Fotos, die angeblich von einem Laptop von Hunter Biden stammen sollen und 2020 ihren Weg in die Öffentlichkeit fanden, gab es eine politische Kontroverse. In dem Zusammenhang machten auch Falschmeldungen die Runde: So verbreitete sich etwa ein Foto eines italienischen Kochs mit seiner Tochter. Es sollte als eine Aufnahme von Hunter Biden dagestellt werden, um ihm Pädophilie zu unterstellen, wie ein dpa-Faktencheck in Belgien zeigte.
(Stand: 26.07.2023)
Links
Ukrainischer Medienbericht mit Erwähnung von Marina Lisina (archiviert)
Faktencheck von «Lead Stories» zu der Behauptung (archiviert)
Webseite der ukrainischen Anwaltskanzlei (archiviert)
Meldung von «Radio Free Europe» zum Tod von Nikolai Lisin (archiviert)
Archivansicht von ukrainischem Parlamentseintrag von Nikolai Lisin
Dokument der US-Börsenaufsichtsbehörde, das Lisin 2009 als Co-Eigentümer von Burisma ausweist (archiviert)
Blogbeitrag aus den USA mit der Behauptung (archiviert)
Interview von «Newsmax» mit Rudy Giuliani (archiviert, Video archiviert)
Untersuchung des Ausschusses im US-Repräsentantenhaus zu den Bidens
dpa-Meldung über Freispruch im ersten Trump-Amtsenthebungsverfahren im Februar 2020 via «Augsburger Allgemeine» (archiviert)
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