Kein Allzeitrekord
Meteorologe sprach über Juni-Spitzentemperatur in Österreich
11.7.2023, 15:17 (CEST)
Die Überschrift eines Interviews wird in den sozialen Netzwerken verbreitet. Ein Meteorologe soll demnach gesagt haben: «Temperaturen um die 35 Grad, das hat es früher nicht gegeben.» Das entspricht offenbar gar nicht den persönlichen Erinnerungen vieler Nutzerinnen und Nutzer, wie ein Blick in die Kommentarspalten zeigt. Manche sprechen von «Manipulation» durch die Meteorologie beziehungsweise «Verarsche». In einigen Beiträgen werden der Überschrift auch Berichte über Hitzewellen aus den vergangenen Jahrzehnten gegenübergestellt. Ist die Aussage des Experten also manipulativ?
Bewertung
Nein. So wie der Satz in den sozialen Netzwerken verbreitet wird, fehlt entscheidender Kontext. Im vollständigen Artikel und damit auch in dem Zitat in der Überschrift geht es um einen Zeitraum im Frühsommer, nämlich den Juni 2022. Dieser war in Österreich, worauf sich der Meteorologe im Interview bezieht, tatsächlich überdurchschnittlich heiß.
Fakten
Die Überschrift gehört zu einem Interview der österreichischen «Kronen Zeitung» mit dem Meteorologen Klaus Reingruber. Es wurde am 17. Juni 2022 veröffentlicht. Reingruber sprach darin über die bisherigen Temperaturen, den kommenden Sommer und Wetterextreme.
Er sagte zum Beispiel über die Lage Mitte Juni 2022 und den damals bevorstehenden Sommer: «Wir haben jetzt die erste richtige kleine Hitzewelle. Das heißt, wir bekommen am Sonntag Temperaturen von 30 bis womöglich sogar 34 Grad. Es wird das erste Mal wirklich heiß, das ist schon sehr außergewöhnlich.»
Außergewöhnlich sei, so Reingruber: «Dass es so schnell gleich so heiß ist, das kommt nicht so oft vor.» Später verneint er aber die Frage, ob er den Eindruck bestätigen könne, dass es «kein normales Wetter mehr» gebe. Allerdings, so Reingruber: «Es ist schon so, dass Temperaturen um 34 oder 35 Grad ungewöhnlich sind, das hat es früher nicht gegeben.» Dieser Satz findet sich etwas verändert in der Überschrift zum Interview.
Gegenüber den Faktencheckern von «Correctiv» betonte Reingruber auf Nachfrage, dass sich aber auch diese Antwort auf den Monat Juni bezog, nicht auf den gesamten Sommer.
Die österreichische Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) kommt zu einer ähnlichen Einschätzung wie Reingruber. Sie bilanzierte am 30. Juni 2022, der Monat sei im Tiefland Österreichs der viertwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen im 18. Jahrhundert, auf den Bergen der drittwärmste gewesen.
Zudem habe es «sehr viele Hitzetage», also Tage mit mindestens 30 Grad Celsius gegeben. Eine Tabelle der ZAMG vergleicht die Zahl der Hitzetage im Juni mit den Referenzperioden von 1961 bis 1990 und von 1991 bis 2020. In allen aufgeführten Orten gab es demnach deutlich mehr Hitzetage als durchschnittlich in den Zeiträumen in der Vergangenheit. An der Universität Innsbruck wurden demnach im Juni 2022 11 Hitzetage verzeichnet. Von 1961 bis 1990 waren es im Schnitt nur zwei Junitage mit mehr als 30 Grad, von 1991 bis 2020 im Schnitt 4,1. Alle Zahlen zeigen einen eindeutigen Trend hin zu mehr Hitzetagen im Juni.
Auch in Deutschland gibt es diesen Anstieg. Natürlich gab es bereits vor Jahrzehnten heiße Tage, auch bereits im Juni. Grafiken des Deutschen Wetterdienstes zeigen aber, dass ungewöhnliche Temperaturen im Juni und Juli über die vergangenen Jahre deutlich zugenommen haben. Auch über je ein gesamtes Jahr betrachtet ist der Anstieg der Temperatur von 1881 bis 2021 deutlich zu erkennen. In Berlin verzeichneten Wetterexperten von 1990 bis 2019 im Schnitt 11,5 Hitzetage pro Jahr, während es in den Jahren zuvor noch 6,5 Hitzetage waren. Klimaforscher führen diese Entwicklungen auf den Klimawandel zurück.
(Stand: 10.7.2023)
Links
Artikel der «Kronen Zeitung» (17.6.2022) (archiviert)
«Correctiv»-Faktencheck (archiviert)
Monatsbilanz der ZAMG (30.6.2022) (archiviert)
Liste mit historischen Höchstwerten einzelner Wetterstationen (archiviert)
DWD-Grafik zu Temperaturanomalien im Juni (archiviert)
DWD-Grafik zu Temperaturanomalien im Juli (archiviert)
DWD-Grafik zu Temperaturanomalien im gesamten Jahr (archiviert)
ZAMG über Zunahme von Hitzetagen u.a. in Deutschland (archiviert)
Umweltbundesamt über Hitzetage (archiviert)
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