Nicht aktuell
Video ist von 2020 und zeigt Migranten in Istanbul
3.7.2023, 15:19 (CEST)
In einem Video, das in den sozialen Netzwerken kursiert, drängen sich Menschen vor mehreren Bussen. Auf Facebook heißt es dazu: «Neue Fachkräfte und Ärzte auf dem Weg nach Deutschland» - eine sarkastische und in rechten Kreisen verbreitete Umschreibung für Migranten. Zudem soll das Video «vom 30.06.23», also eine aktuelle Aufnahme sein. Ist das so?
Bewertung
Das Video ist mehrere Jahre alt. Es zeigt Migranten, die im Februar 2020 in der türkischen Großstadt Istanbul mit Bussen in Richtung EU-Grenze aufbrachen.
Fakten
Die Aufnahmen sind nicht aktuell, sondern wurden bereits am 28. Februar 2020 vom türkischen Nachrichtenportal «En Son Haber» auf Twitter veröffentlicht. Das Video wurde auf einer großen, mehrspurigen Straße in Istanbul aufgenommen. Die Gebäude im Hintergrund sind auch auf Google Street View zu finden.
Ein ähnliches Video vom selben Ort wurde am 28. Februar 2020 vom Fernsehsender TRT auf Youtube verbreitet. Auf allen Aufnahmen sind demnach Migranten zu sehen, die damals mit Bussen in Richtung der türkisch-griechischen Grenze aufbrechen wollten.
Anlass war eine Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass sein Land die Grenze in Richtung Griechenland öffnen werde und Flüchtlinge in Richtung EU ausreisen lasse. Griechenland öffnete die Grenze jedoch nicht und setzte Berichten zufolge auch Tränengas gegen ankommende Flüchtlinge ein. In Grenzorten wie dem türkischen Edirne harrten Tausende Menschen aus. Beobachter sprachen von einer humanitären Krise an der Grenze. Später schloss die Türkei die Grenzen zur EU wieder. Als Grund wurde die damals beginnende Corona-Pandemie genannt.
Politiker aus EU-Ländern kritisierten die Grenzöffnung durch die Türkei als Bruch der Flüchtlingsvereinbarung mit der EU. Diese sieht seit dem Jahr 2016 vor, dass die Türkei Flüchtlinge aufnimmt, die eigentlich in die EU weiterreisen wollen. Im Gegenzug zahlt die EU der Türkei Milliardenbeträge. Es ist jedoch umstritten, ob die Vereinbarung rechtlich verbindlich ist. Es gab wiederholt Kritik von Menschenrechtlern, unter anderem wegen mutmaßlichen illegalen Zurückweisungen an der griechischen EU-Außengrenze, sogenannten Pushbacks.
(Stand: 3.7.2023)
Links
Video bei «En Son Haber» auf Twitter (archiviert; archiviertes Video)
Aufnahmort bei Google Street View (archiviert)
Video des Senders TRT (archiviert)
«Spiegel»-Bericht zur Grenzöffnung durch die Türkei (archiviert)
Deutschlandfunk-Bericht über Grenzschließung (Archivlink)
«Süddeutsche Zeitung» über Reaktionen aus der EU (archiviert)
Bundeszentrale für politische Bildung über die Flüchtlingsvereinbarung (archiviert)
dpa-Bericht zum Stand der Vereinbarung im Jahr 2021 (archiviert)
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