Impfplan von September 2021

Corona-Impfung wirksam - Apothekerin verbreitet Unwahrheit

25.05.2023, 15:33 (CEST), letztes Update: 25.05.2023, 16:07 (CEST)

Auch zweieinhalb Jahre nach Impfstart glauben einige immer noch, die Corona-Mittel seien nicht wirksam gegen Covid-19. Jetzt bläst eine Apothekerin in dieses Horn - doch Recht hat sie nicht.

Seit Beginn der Impfungen gegen das Coronavirus machen immer wieder auch Menschen aus dem Gesundheitsbereich Stimmung gegen die Wirksamkeit der Mittel. Im Mai 2023 etwa verbreitet sich das kurze Selfie-Video einer Apothekerin aus Schleswig-Holstein. Darin hält sie das Plakat eines Impfplans in die Kamera, der Apotheken in Deutschland zur Verfügung gestellt wurde. Daraus, dass in der Tabelle bei den Corona-Impfstoffen unter der Spalte «Impfschutz» der Halbsatz «derzeit noch nicht bekannt» steht, schließt die Frau: Die Mittel zeigten angeblich keine Wirkung etwa auf den Covid-19-Verlauf. «Das Zeug taugt nichts!», schlussfolgert sie.

Bewertung

Falsch. Die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen einen schweren Covid-Verlauf ist in vielen Studien nachgewiesen. Im Impfplan aus dem Video geht es im Abschnitt «Impfschutz» lediglich darum, in welchen Abständen Impfungen wiederholt werden müssen, um auch künftig effektiv gegen eine Infektion geschützt zu sein. Und das war im September 2021, als der gezeigte Impfplan entstand, tatsächlich «noch nicht bekannt».

Fakten

Der Impfplan aus dem Video ist schon fast zwei Jahre alt. Das Plakat liegt der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor. Dort ist eindeutig verzeichnet, dass der Plan in seiner 16. Auflage den Stand «September 2021» hat. Das bestätigen am 24. Mai 2023 auf Anfrage der dpa sowohl die Apothekerkammer Schleswig-Holstein als auch die Bayerische Landesapothekerkammer, die für das Poster verantwortlich ist. Es gab demnach bislang keine Aktualisierung, es handelt sich also um die jüngste Auflage.

Die im Impfplan zusammengestellten Informationen basieren auf den damaligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko), wie eine Sprecherin der Bayerischen Landesapothekerkammer mitteilt. Auf dem Poster ist vermerkt: «Die Inhalte des Impfplans geben den Stand zum Zeitpunkt der Überarbeitung wieder.»

Was ist auf dem Impfplan überhaupt verzeichnet?

Den Mitgliedern der Apothekerkammern in Deutschland und ausgewählten Fachkreisen werden mit dem Plakat Hinweise und Informationen zu allen möglichen Infektionskrankheiten und deren Bekämpfung gegeben. Dazu gehört neben Diphterie, Tetanus, Masern, Hepatitis oder Grippe eben auch Covid-19.

Zu jeder dieser Infektionskrankheiten gibt es Angaben zu Erkrankung, Übertragung und Inkubationszeit. Außerdem werden die Möglichkeiten zur Immunisierung angegeben - also welche Art von Mitteln den Krankeitsverlauf erleichtern oder eine Ansteckung verhindern können.

In der Spalte «Impfschutz» werden zu den jeweiligen Infektionserkrankungen Angaben zu erforderlichen Auffrischimpfungen nach erfolgter Grundimmunisierung gemacht - und nicht, wie im Video behauptet, zur Wirksamkeit der Mittel. Für FSME heißt es zum Beispiel, dass eine «Auffrischimpfung in Abständen zwischen 3 und 5 Jahren erforderlich» sei. Bei Tetanus ist verzeichnet: «Auffrischimpfung alle 10 Jahre». Allein in diesem Zusammenhang steht bei Covid-19: «derzeit noch nicht bekannt».

Auffrischung bei Covid-Mitteln

Zum Zeitpunkt der Drucklegung des Impfplans im September 2021 existieren in Hinblick auf möglichen Auffrischungsimpungen gegen Covid-19 noch keine abschließenden Daten. Bis heute behandelt die Stiko Covid-19 gesondert und hat über die Monate 25 Aktualisierungen (Stand Mai 2023) der Impfempfehlungen vorgenommen, etwa wenn neue Vakzine oder Erkenntnisse hinzukamen.

In der 11. Aktualisierung von Ende September 2021 (also in etwa zum Zeitpunkt, als der nun verbreitete Impfplan erstellt wurde) empfiehlt die Stiko nur für Menschen mit geschwächtem Immunsystem eine Auffrischungsimpfung nach der Grundimmunisierung (sogenannter Booster). Für andere Gruppen gilt das damals noch nicht. «Wann für Nichtrisikopatienten eine Auffrischungsimpfung nötig sein wird, ist wissenschaftlich deutlich schwerer zu beantworten», sagt seinerzeit Stiko-Chef Thomas Mertens der dpa. «Die Entscheidung über eine Empfehlung dazu wird zumindest noch etwas dauern.»

Wegen dieser noch nicht abgeschlossenen Lage sei im heutzutage verbreiteten Impfplan in der Spalte «Impfschutz» die Formulierung «derzeit noch nicht bekannt» gewählt worden, sagt die Sprecherin der Bayerischen Landesapothekerkammer der dpa.

Erst in der 14. Aktualisierung von Ende November 2021 gibt die Stiko grünes Licht für Auffrischungsimpfungen für alle Menschen über 18 Jahren in Deutschland. In der Regel soll zwischen Booster und der letzten Impfstoffdosis der Grundimmunisierung ein Abstand von sechs Monaten liegen.

Corona-Impfungen zeigen Wirkung gegen Covid-19

Obwohl sich auch Geimpfte mit dem Coronavirus infizieren, im Krankenhaus landen oder gar an Covid-19 sterben können, ist die Wirksamkeit der Impfung grundsätzlich nachgewiesen. Keine Impfung auf dieser Welt ist zu 100 Prozent wirksam. Das Robert Koch-Institut (RKI) beschreibt immer wieder sehr genau den Nutzen der Impfungen, und dass der Anteil Ungeimpfter an schweren Covid-Verläufen viel höher ist.

Die Schutzwirkung ist einige Tage nach einer Corona-Impfung am höchsten und lässt dann langsam nach. Das RKI schreibt Anfang März 2023: Mehrere Monate nach einer Impfung könne eine Infektion oder milde Verlaufsform von Covid-19 «inzwischen nur noch in geringem Maße» verhindert werden. Doch nach Auswertung der Corona-Fälle unter Einbeziehung des Impfstatus um den Jahreswechsel 2022/2023 sei festzustellen, «dass der kleine Anteil der ungeimpften Bevölkerung einen verhältnismäßig großen Teil der Covid-19-Fälle mit schwerem Verlauf stellt».

Zur Erinnerung: Wochenlang machten etwa ein Jahr zuvor um den Jahreswechsel 2021/2022 Ungeimpfte die Mehrheit der Covid-Fälle auf Intensivstationen deutscher Krankenhäuser aus.

Konkret schreibt das RKI in einem Papier von Mitte Januar: Die Wirksamkeit der Grundimmunisierung (zwei Impfungen) gegen einen Krankenhausaufenthalt wegen Covid-19 liege im Schnitt bei gut 55 Prozent, nach einer dritten Dosis bei mehr als 81 Prozent und nach insgesamt vier Impfungen bei knapp 96 Prozent.

Die Stiko plant derzeit, die Covid-19-Impfung in ihre allgemeinen Impfempfehlungen 2023 aufzunehmen. Der neue Schritt mit einer längeren Empfehlung und der Eingliederung in den Impfkanon ist quasi als Übergang vom Pandemie- in den Normalmodus zu werten.

(Stand: 25.05.2023)

Links

RKI-Impf-Monatsbericht vom 2.3.2023 (archiviert)

RKI-Preprint zur Wirksamkeit der Corona-Impfungen vom 9.1.2023 (archiviert)

RKI/Divi über Covid-Fälle auf Intensivstationen um den Jahreswechsel 2021/2022 (archiviert)

Stiko über Aktualisierungen der Covid-Impfempfehlungen (archiviert)

11. Aktualisierung der Covid-Impfempfehlung der Stiko 09/2021 (archiviert)

14. Aktualisierung der Covid-Impfempfehlung der Stiko 11/2021 (archiviert)

Stiko über Aufnahme der Corona-Impfungen in die Impfempfehlungen 2023 (archiviert)

Experten über Stiko-Empfehlung im Gespräch mit dem Science Media Center (archiviert)

dpa-Bericht über Stiko-Auffrischungsimpfungen 09/2021 (via «FAZ») (archiviert)

Video einer Apothekerin mit Falschaussagen über Corona-Impfung (archiviert)

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