Wetter-Berichterstattung
Der April war kalt und nass, aber nicht auf einem 60-Jahres-Tief
19.5.2023, 16:16 (CEST)
Der Wetterbericht beschäftigt manche Nutzerinnen und Nutzer nicht nur mit Blick auf ihren Alltag, sondern ruft oft auch grundsätzliche Kritik an den Medien hervor. So heißt es in einem Beitrag auf Facebook: «Die Medien berichten eifrig über die Hitzewelle in Spanien, aber dass wir den kältesten April seit 60 Jahren haben, passt wohl nicht ins Klima-Märchen.» Stimmt es, dass der April derart kalt war - und «die Medien» das verschwiegen haben?
Bewertung
Falsch. Der April 2023 war in Deutschland gefühlt eher kalt und vor allem nass, aber nicht der kälteste seit dem Jahr 1963. Das zeigt ein Blick in die Daten des Deutschen Wetterdienstes. Zudem gab es in deutschen Medien Berichte über das Wetter in Deutschland im April.
Fakten
Um einschätzen zu können, wie warm oder kalt ein Monat war, nutzen Meteorologen sogenannte Referenzperioden. Eine davon erstreckt sich vom Jahr 1961 bis 1990, eine weitere von 1991 bis 2020.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat am 28. April eine vorläufige Bilanz des diesjährigen Aprils gezogen. Demnach betrug das Temperaturmittel in Deutschland 7,5 Grad Celsius. Zum Vergleich: für die Referenzperiode von 1961 bis 1990 beträgt der Wert 7,4 Grad - die Werte liegen also fast gleichauf.
Das bedeutet aber auch: Zwischen 1961 und 1990 muss es einige Jahre gegeben haben, in denen der April kälter war als im Jahr 2023. Im Jahr 1973 betrug das April-Temperaturmittel zum Beispiel nur 5,1 Grad. In den 1960er Jahren und auch in den Jahrzehnten danach gab es immer wieder Aprilmonate, in denen es deutlich kälter war als im Jahr 2023.
Langjähriger Trend zeigt klaren Temperaturanstieg
Genauso gab es aber schon in den 1960er Jahren einzelne Aprilmonate, die wärmer waren als 2023. Eine Zeitleiste seit dem April 1963 zeigt allerdings auch, dass der langfristige Trend für den April nach oben geht. Deutlich wird das vor allem beim Vergleich mit der Referenzperiode von 1991 bis 2020. Für sie beträgt das Temperaturmittel im April schon 9 Grad Celsius.
Es fällt auf, dass es in der jüngeren Vergangenheit deutlich häufiger April-Temperaturmittel im zweistelligen Bereich gab. Im April 2018 lag das Mittel sogar bei 12,3 Grad - der Höchstwert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881. Aber auch in der jüngeren Vergangenheit gibt es Ausnahmen vom Trend, etwa den April 2021, der mit einem Temperaturmittel von 6,0 Grad sogar kälter war als der gerade vergangene April.
Das Portal «Kachelmannwetter.com» beschrieb 2022 in einem ausführlichen Beitrag, dass auch bei den Jahresmitteltemperaturen der langjährige Trend eindeutig einen Anstieg zeigt. Die Auswertung stützt sich ebenfalls auf die DWD-Daten und zeigt unter anderem, dass ein Großteil der wärmsten Jahre seit Aufzeichnungsbeginn seit dem Jahr 2000 verzeichnet wurden. Auf Monatsebene, so der Kachelmann-Bericht, haben sich seit 1961 der April und der August am stärksten erwärmt.
Ungewöhnlich frühe Hitzewelle in Südwesteuropa
Während der April 2023 in Deutschland also vor allem im Vergleich mit der jüngeren Vergangenheit kälter war, gab es in Spanien und Portugal eine ungewöhnliche Hitzewelle mit Höchstwerten von rund 39 Grad Celsius. Solche Temperaturen wurden in Südwesteuropa zuvor in der Regel erst später im Jahr verzeichnet. Auch in Deutschland berichteten Medien über die Hitzewelle und die Probleme, die sie bereitete. Hinzu kommt in Spanien eine monatelange Dürre.
Medien berichteten über April-Temperaturen in Deutschland
Aber auch zum Wetter im April in Deutschland finden sich Medienberichte. Der «Tagesspiegel» schrieb am 26. April: «Zu kalt, zu frostig, zu regnerisch, so präsentierte sich der April.» Die «Stuttgarter Nachrichten» verglichen am 27. April Messwerte aus Stuttgart und befanden, dass der April 2023 dort «deutlich zu kühl» sei.
Das ZDF griff in einem Online-Bericht eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vom 28. April auf, die sich mit der vorläufigen Monatsbilanz des Deutschen Wetterdienstes beschäftigte. Auffälliger als die Temperaturen war laut DWD aber etwas anderes: «Erstmals seit 15 Jahren war ein April in Deutschland wieder zu nass», wird ein Sprecher zitiert. Laut DWD war der April «verglichen mit den vieljährigen Mittelwerten etwas zu feucht», es gab also mehr Niederschlag.
Immer wieder werden einzelne Wetterereignisse oder Messwerte herangezogen, wenn sie vermeintlich dem Klimawandel widersprechen oder, wie im aktuellen Facebook-Beitrag, ein angebliches «Klima-Märchen» in den Medien belegen sollen. Dass der menschengemachte Klimawandel zu einem Temperaturanstieg führt, ist wissenschaftlich jedoch Konsens. In Deutschland etwa ist die Lufttemperatur im Jahresdurchschnitt zwischen 1881 und 2021 dem DWD zufolge um 1,6 Grad Celsius gestiegen. Die Zahlen zeigen auch, dass sich der Temperaturanstieg in den vergangenen 50 Jahren deutlich beschleunigt hat.
(Stand: 19.5.2023)
Links
Deutscher Wetterdienst zu Referenzperioden (23.2.2021) (archiviert)
Vorläufige April-Bilanz des DWD (28.4.2023) (archiviert)
DWD-Vergleichszahlen auf «meteo.plus» (archiviert)
«Kachelmannwetter.com» über Temperaturentwicklung in Deutschland seit 1881 (1.2.2022) (archiviert)
«Zeit online» u.a. zur Hitzewelle in Spanien (8.5.2023, Paywall) (archiviert)
«Tagesschau.de» über Spanien (26.4.2023) (archiviert)
«Tagesspiegel» über Wetter in Deutschland (26.4.2023, Paywall) (archiviert)
«Stuttgarter Nachrichten» mit örtlichen Zahlen (27.4.2023) (archiviert)
dpa-Meldung auf der Seite des ZDF (28.4.2023) (archiviert)
DWD zu Klimawandel und Temperaturmittel in Deutschland (archiviert)
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