Bewaffneter Überfall

Video aus Argentinien zeigt Polizisten in ziviler Kleidung

12.05.2023, 15:10 (CEST)

Ein Video zeigt angeblich, dass privater Waffenbesitz ein wirkungsvolles Mittel gegen Kriminelle sei. Doch der behauptete Aufnahmeort ist falsch - und es schießt auch kein «bewaffneter Bürger».

(Warnung: In diesem Faktencheck verlinkte Quellen zeigen zum Teil Gewaltszenen.)

In einem Mercedes-Werk in Sindelfingen (Baden-Württemberg) sind am Donnerstag zwei Menschen erschossen worden. In den sozialen Netzwerken kursiert ein Vorschlag, was angeblich gegen solche Taten helfe: «Bewaffnete Bürger könnten sich selbst verteidigen.» Dazu wird ein Video gezeigt, in dem eine Person bei einem bewaffneten Überfall auf die zwei Angreifer schießt. Laut einem Twitter-Nutzer handelt es sich um einen Vorfall im US-Bundesstaat Florida, der ein sehr liberales Waffenrecht hat. Stimmen die Angaben?

Bewertung

Falscher Kontext. Das Video stammt nicht aus Florida, sondern aus der argentinischen Großstadt Rosario. Es zeigt auch keinen bewaffneten Bürger, sondern laut Medienberichten einen Polizisten in Zivil, der auf die Angreifer schießt und einen von ihnen tödlich trifft.

Fakten

Das Video zeigt keine Szene aus dem US-Bundesstaat Florida. Es wurde im Februar 2021 in der Stadt Rosario in Argentinien von einer Überwachungskamera aufgenommen.

Argentinische Medien berichteten damals über den Vorfall und das Video. Demnach ist ein Raubüberfall zu sehen, bei dem zwei Männer mit einem Motorrad stoppen und mit vorgehaltener Waffe den Rucksack eines Mannes sowie Geld erbeuten. Als sie fahren wollen, schießt der Mann jedoch mit einer Handfeuerwaffe auf die Räuber. Den Berichten zufolge starb einer von ihnen durch Schussverletzungen. Der andere Mann wurde verletzt und später festgenommen.

Bei dem Überfallenen handelt es sich den Berichten zufolge um einen Polizisten, der in ziviler Kleidung unterwegs war. Es ist also kein normaler Bürger, der zufällig eine Waffe bei sich trug. Der argentinischen Zeitung «Clarin» zufolge wurde der Vorfall untersucht und die Dienstwaffe des Polizisten zunächst beschlagnahmt. Es handele sich laut Staatsanwaltschaft jedoch um eine «legitime Verteidigung». Der Fernsehsender A24 berichtete, dass der Polizist für seine Reaktion auf den Überfall eine Auszeichnung erhalte.

Das Video ist also kein Beleg, dass ein liberales Waffenrecht wie in Florida und die Bewaffnung von Bürgern ein Mittel gegen Kriminalität und Waffengewalt sein können.

Wissenschaftliche Zweifel an der «Mehr Waffen helfen»-These

In den USA behaupten Gegner eines schärferen Waffenrechts immer wieder, dass gegen Waffengewalt vor allem weitere Waffen helfen würden; dass also Angegriffene oder Dritte sich wehren könnten, wenn sie selbst bewaffnet seien.

Eine Untersuchung der Texas State University zusammen mit der Bundespolizei FBI legte im vergangenen Jahr jedoch nahe, dass diese These falsch ist. Die Forschenden werteten Daten zu sogenannten «active shooter attacks» aus, was im Deutschen ungefähr dem Begriff Amoklauf entspricht.

Im Jahr 2019 zeigte eine Studie zudem, dass es in US-Bundesstaaten mit liberalem Waffenrecht und mehr privatem Waffenbesitz häufiger Schießereien mit mehreren Toten («mass shootings») gibt als in Staaten mit strengeren Regeln.

(Stand: 12.5.2023)

Links

Aufnahmeort des Videos bei Google Street View (archiviert)

Bericht von «Rosario3» (18.2.2021) (archiviert)

Bericht von «Clarin» (19.2.2021) (archiviert)

Bericht von A24 (19.12.2021) (archiviert)

«New York Times» über Analyse der Texas State University und des FBI (22.6.2022) (archiviert)

Studie zum Zusammenhang von Waffenrecht und Waffenbesitz und «mass shootings» (2019) (archiviert)

Tweet mit Video (archiviert; archiviertes Video)

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