Kein MI6-Projekt

NPD wurde von deutschen Rechtsextremen gegründet

12.05.2023, 17:16 (CEST)

Die NPD gründete sich in den 1960er Jahren als Sammelbecken für Rechtsextreme. Angeblich verantwortlich: der britische Geheimdienst. Doch Beweise für diese Verschwörungstheorie gibt es nicht.

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist eine 1964 gegründete rechtsextreme und neonazistische Partei. In den vergangenen Jahren ist sie zunehmend in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden. Nun wird in den sozialen Netzwerken ein Video verbreitet, laut dem die NPD angeblich vom «britischen Geheimdienst MI6 gegründet worden» sei. Aber sind für eine deutsche Neonazi-Partei wirklich ausländische Spione verantwortlich? Und wer steckt hinter dem Video?

Bewertung

Es gibt keine Belege für die Gründung der NPD durch den MI6 - nur ungenaue und unbelegte Angaben über eine mögliche Zusammenarbeit eines ehemaligen NPD-Vorsitzenden mit dem britischen Geheimdienst. Das Video stammt von einem bekannten Verschwörungstheoretiker aus den USA und enthält weitere Fehler und Ungenauigkeiten.

Fakten

Die NPD wurde am 28. November 1964 gegründet, laut der Bundeszentrale für politische Bildung «als Sammelbecken für frühere rechtsextreme Kleinparteien». Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017 zeichnet sich die Partei durch eine «Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus» aus.

Parteigründer und die ersten Bundesvorsitzenden

Einer der Parteigründer war der erste Bundesvorsitzende der Partei Friedrich Thielen, der jedoch schon 1967 wegen interner Konflikte «aus der Partei entfernt» wurde. Daraufhin übernahm der wegen seiner Beteiligung an der Pogromnacht 1938 vorbestrafte Wilhelm Gutmann kommissarisch die Aufgaben des Bundesvorsitzenden, bis er durch Adolf von Thadden abgelöst wurde, der von 1967 bis 1971 als dritter Bundesvorsitzender der NPD agierte.

Die Causa von Thadden

Der 1996 verstorbene Adolf von Thadden wurde tatsächlich verdächtigt, auf der Gehaltsliste «feindlicher Kräfte» zu stehen - vor allem von seiner eigenen Partei: «Die Verdächtigungen reichten vom Vorwurf der Spitzelei für osteuropäische Geheimdienste bis zum Verdacht, er sympathisiere mit der FDP», schrieb die «Berliner Zeitung» im Jahr 2002. Im selben Jahr gab es Berichte in der deutschen und britischen Presse, in denen von Thadden verdächtigt wird, von 1969 bis 1971 für den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 gearbeitet zu haben.

Die Berichte stützen sich jedoch vor allem auf unüberprüfbare Angaben anonymer Quellen sowie Aussagen des damaligen Präsidenten des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, der von Thadden zwar «in Verbindung» mit dem MI6 brachte, ihn jedoch nie als einen tatsächlichen «Agenten» bezeichnete. Auch gibt es in den Berichten keine Hinweise, dass der MI6 bereits bei der Gründung der NPD im Jahr 1964 eine Rolle gespielt haben könnte.

Auch im Deutschen Bundestag konnte eine Zusammenarbeit zwischen dem ehemaligen NPD-Vorsitzenden und dem britischen Geheimdienst nicht belegt werden. 2013 stellte der der damalige Kanzleramts-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele klar, dass «keine konkreten Hinweise auf eine Zusammenarbeit Adolf von Thaddens mit dem MI6» erbracht werden könnten. Es gebe lediglich «vage Hinweise für eine mögliche Zusammenarbeit mit dem britischen Dienst».

Alex Jones - Galleonsfigur der «Fake News»

Das Video mit der Behauptung über NPD und MI6 stammt ursprünglich aus dem Jahr 2003 und vom bekannten US-Verschwörungsideologen Alex Jones, der 2022 wegen der Verbreitung von Falschbehauptungen zum Zahlen von Schadenersatz von insgesamt etwa einer Milliarde US-Dollar verurteilt wurde.

Sein Video enthält viele faktische Fehler und unbelegte Behauptungen. So ist beispielsweise die NPD 1964 und nicht - wie von Jones behauptet - 1963 gegründet worden. Auch die von Jones gezeigte Schlagzeile des «Telegraph» («Neo-Nazis run rings around German intelligence services»; auf Deutsch: «Neonazis führen deutsche Geheimdienste an der Nase herum») hat nichts mit der mutmaßlichen Verbindung zwischen der NPD und dem MI6 zu tun. In dem Artikel aus dem Jahr 2003 geht es ausschließlich um sogenannte V-Männer, also Verbindungspersonen des Verfassungsschutzes in der NPD. Dass die Behörde so stark auf V-Leute setzte, behinderte das damals diskutierte Parteiverbot.

Die deutschen Anhänger von Jones' Thesen machen beim Verbreiten der Falschbehauptung ihre eigenen Fehler. So wird der Bundesnachrichtendienst (BND) als weitere angebliche Institution genannt, von der die NPD «kontrolliert und geführt» werde. Der BND ist jedoch ausschließlich für die «zivile und militärische Auslandsaufklärung» zuständig. Die NPD fällt als deutsche Partei nicht in den Zuständigkeitsbereich des BND, sondern in den des Verfassungsschutzes.

(Stand: 12.5.2023)

Links

Verfassungsschutz über die NPD (archiviert)

Bundeszentrale für politische Bildung über die NPD (archiviert)

Urteil des Bundesverfassungsgerichts, 2017 (archiviert)

«Spiegel»-Bericht «Wind im Wonnemond», 1967 (archiviert)

«Spiegel»-Bericht «Weicher Willi», 1968 (archiviert)

«Berliner Zeitung» zu parteiinternen Vorwürfen gegen von Thadden, 2002 (archiviert)

«Der braune Schlapphut», «Kölner Stadt-Anzeiger», 2002 (archiviert)

«Neo-Nazi leader 'was MI6 agent'», «The Guardian», 2002 (archiviert)

«Neo-Nazis run rings around German intelligence services», «The Telegraph», 2003 (archiviert)

Bundestagsanfrage des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, 2013 (archiviert)

«Alex Jones muss fast eine Milliarde zahlen», DW, 2022 (archiviert)

«Die Rolle der V-Leute im NPD-Verbotsverfahren», «Spiegel», 2002 (archiviert)

Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (archiviert)

Facebook-Post mit Behauptung (archivierter Post, archiviertes Video)

Tweet mit Behauptung (archiviert)

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