Falsch interpretiert

UN-Bericht fordert keine Entkriminalisierung von Sex mit Minderjährigen

27.4.2023, 12:14 (CEST)

Kinder und Jugendliche stehen in den meisten Gesellschaften unter besonderem Schutz. Einem auf Facebook kursierenden Beitrag zufolge soll ein Bericht der Vereinten Nationen die «Entkriminalisierung sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen» fordern. Aber das ist eine grobe Fehlinterpretation.

Bewertung

Der Bericht fordert an keiner Stelle, sexuelle Aktivitäten zwischen Erwachsenen und Kindern nicht mehr mit Strafen zu belegen. Eine fehlinterpretierte Textstelle beschreibt, dass einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Menschen unterhalb eines jeweils national festgelegten Mindestalters nicht automatisch bestraft werden sollten - wenn etwa zwei Jugendliche betroffen sind. Das ist eine international anerkannte Rechtsauffassung.

Fakten

Der erwähnte Bericht wurde am 8. März 2023 von der Internationalen Juristenkommission (ICJ) zusammen mit dem Gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) und dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) veröffentlicht. In dem Schriftstück werden rechtliche Grundsätze dargelegt, um internationale Menschenrechte und das Strafrecht in verschiedenen Bereichen in Einklang zu bringen. Dabei geht es vor allem um strafrechtlich geahndete Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Sex, Fortpflanzung, Drogenkonsum, HIV, Obdachlosigkeit und Armut.

Der Bericht fordert keinesfalls die Entkriminalisierung sexueller Aktivitäten zwischen Kindern und Erwachsenen. Der Begriff «Kind» wird nirgendwo verwendet, wenn es um sexuelle Aktivitäten geht. «Adult» taucht in Passagen auf, in denen es um Sexarbeit geht - also um den einvernehmlichen Austausch einer sexuellen Dienstleistung zwischen zwei Erwachsenen.

Die Internationale Juristenkommission und ein Sprecher des UN-Generalsekretärs bezeichneten einige Interpretationen des Berichts als falsch. «Er forderte weder die Entkriminalisierung von Sex mit Kindern noch die Abschaffung des Schutzalters», so der Sprecher des UN-Generalsekretärs.

Die Fehlinterpretation bezieht sich vor allem auf eine Passage, in der es um «sexuelle Handlungen zwischen Personen unterhalb des national festgelegten Mindestalter für die Einwilligung zum Sex» geht. Dem Bericht zufolge können sie einvernehmlich sein, auch wenn sie rein juristisch nicht als einvernehmlich angesehen werden.

Dem UN-Sprecher zufolge werde hier eine anerkannte Rechtsauffassung beschrieben: Strafen gegen Jugendliche ähnlichen Alters wegen einvernehmlicher, nicht ausbeuterischer sexueller Aktivität sind nicht angemessen. Im Bericht heißt es dazu: «In diesem Zusammenhang sollte die Durchsetzung des Strafrechts die Rechte und die Fähigkeit von Personen unter 18 Jahren widerspiegeln, Entscheidungen über einvernehmliche sexuelle Handlungen zu treffen, sowie ihr Recht beachtet werden, in sie betreffenden Angelegenheiten gehört zu werden.»

Gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern kämpfe die UN entschieden. Der Sprecher bekräftigte, dass die Vereinten Nationen sexuelle Ausbeutung und Missbrauch von Kindern als Verbrechen betrachteten. Auch die Internationale Juristenkommission teilte nach der Fehlinterpretation des Berichts mit, dass Staaten nach internationalem Recht eindeutig verpflichtet seien, Kinder vor allen Formen des Missbrauchs zu schützen.

Die Grundsätze des UN-Berichts wurden von einem Expertengremium internationaler Juristen zusammengestellt. Er richtet sich vor allem an Richter, Staatsanwältinnen, Anwälte, Beamtinnen oder Parlamentarier, die mit derartigen Strafgesetzen in Berührung kommen und beurteilen müssen, ob sie menschenrechtskonform sind.

(Stand: 27.4.2023)

Links

Grundsatzbericht zu Menschenrechten und Strafrecht (archiviert)

Informationen der Internationalen Juristenkommission zum Bericht (archiviert)

Informationen von UNAIDS zum Bericht (archiviert)

Reaktion eines Sprechers des UN-Generalsekretärs (archiviert)

Reaktion der Internationalen Juristenkommission (archiviert)

Blogbeitrag mit der Behauptung (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung(archiviert)

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