Keine Belege für «Chemtrails»

Behauptung über Piloten erfunden - Video zeigt Löschflugzeug

20.4.2023, 15:05 (CEST)

Anhänger von Verschwörungsmythen präsentieren im Netz immer wieder vermeintliche Beweise für ihre Theorien. Viele davon sind reine Fantasie - wie diese Geschichte über inhaftierte Piloten.

Flugzeuge, die Giftstoffe in der Luft verteilen und damit Wetter und Menschen beeinflussen: Seit Jahren hält sich die Verschwörungstheorie der sogenannten «Chemtrails». Im Netz tauchen dazu immer wieder Beiträge auf. So behaupteten aktuell Nutzer in sozialen Netzwerken: «In Schweden inhaftierte Piloten haben zugegeben, dass die Giftstoffe, die sie in die Luft abgeben, schwere Krankheiten verursachen!» Dazu teilen User ein Video von einem Flugzeug, das etwas in die Luft ablässt und offenbar den Einsatz der angeblichen Giftstoffe zeigen soll. Die Behauptung wird zusammen mit einem Screenshot des Clips auch als Sharepic verbreitet. Doch sind die Aussagen wahr?

Bewertung

Falsch. Die Geschichte der angeblich inhaftierten Piloten ist nicht neu - sie kursiert seit einiger Zeit im Netz und wurde erfunden. In dem Video ist ein Löschflugzeug zu sehen, das Wasser ablässt.

Fakten

Die Geschichte der angeblich inhaftierten Piloten kursiert seit einiger Zeit im Netz und wurde für die aktuellen Posts abgewandelt. Die Deutsche Presse-Agentur hat sich bereits im Jahr 2020 für einen Faktencheck auf Niederländisch mit einer ähnlichen Behauptung beschäftigt. Damals war in Beiträgen die Rede davon, dass Polen, Schweden und Norwegen angeblich laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters eine Klage gegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) anstrengen würden.

In den Posts, die auch auf Deutsch kursierten, hieß es fast wortgleich: «Inhaftierte Piloten haben zugegeben, eine Chemikalie zu besprühen, die chemische Pneumit verursacht!» Gemeint war wohl eine Pneumonie, also eine Lungenentzündung. Doch eine entsprechende Klage gegen die WHO hat es nie gegeben. Auch der angebliche Reuters-Bericht war auf der Webseite nicht auffindbar. In einem eigenen Faktencheck stellt Reuters klar, dass die Agentur nie einen solchen Bericht veröffentlicht hat.

Auch heute lassen sich keine seriösen Medienberichte über inhaftierte Piloten in Schweden finden, die sich entsprechend der Behauptung geäußert haben. Die Geschichte wurde also erfunden.

Video zeigt Löschflugzeug

Doch was hat es mit dem Video auf sich? In dem Clip, der zu der Behauptung geteilt wird, ist ein Flugzeug zu sehen, das etwas ablässt. Die Qualität des Videos ist zwar schlecht, allerdings ist zu Beginn ein Schriftzug auf dem Flugzeugrumpf zu erkennen. Auf den ersten Blick erinnert diese Aufschrift an das Wort «International».

Mithilfe von Bilderrückwärtssuchen lässt sich ein Foto finden, das der Szene in dem Video stark ähnelt. In der Aufnahme ist ebenfalls zu sehen, wie ein Flugzeug einen Stoff ablässt. Zudem steht als Aufschrift «International» auf dem Rumpf. Das Foto wird in einem englischsprachigen Artikel aus dem Jahr 2008 verwendet. Es zeigt demnach ein Löschflugzeug, das in der Bildunterschrift als «Evergreens 747-basierter Supertanker» bezeichnet wird.

Bei dem sogenannten «Supertanker» handelt es sich um ein Löschflugzeugmodell des inzwischen nicht mehr bestehenden US-Luftfahrtunternehmens Evergreen International Aviation. Für dieses Modell war eine Maschine vom Typ Boeing 747 die Basis. Das Löschflugzeug hatte demnach ein Fassungsvermögen von etwa 20 000 US-Gallonen Wasser (umgerechnet etwa 75 700 Liter).

Eine Suche bei Youtube mit diesen Informationen liefert als Ergebnis mehrere über 10 Jahre alte Videos. Es handelt sich dabei um exakt denselben Clip, der im Netz verbreitet wird. In den Youtube-Beiträgen wird aber explizit darauf hingewiesen, dass es sich um das Löschflugzeug handelt, dass in der Aufnahme Wasser ablässt. Da die Qualität in diesen Beiträgen besser ist, lassen sich auch mehrere Details erkennen, die mit Details auf Fotos des Supertankers übereinstimmen - etwa der «Evergreen International»-Schriftzug oder das Evergreen-Logo auf dem Seitenruder am Heck des Flugzeugs. In dem Video ist also der «Supertanker» zu sehen.

Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für Verschwörungsmythos

Für die Bebilderung ihrer «Chemtrail»-Behauptungen nutzen User im Netz immer wieder das Evergreen-Löschflugzeug. Schon in den Posts aus 2020 mit der Behauptung über die angebliche WHO-Klage waren Bilder der Maschine verwendet worden.

Für den Verschwörungsmythos «Chemtrails» gibt es indes keine wissenschaftlichen Belege. Die dpa hat sich in der Vergangenheit bereits in mehreren Faktenchecks mit Behauptungen im Zusammenhang mit dieser Verschwörungsideologie beschäftigt.

Oft werden Kondensstreifen fälschlicherweise als «Chemtrails» bezeichnet. Dabei handelt es sich um Eiskristalle, die entstehen, wenn heiße und wasserdampfhaltige Abgase aus den Triebwerken von Flugzeugen ausströmen und auf kalte Luft treffen. Sie entstehen in der Regel in Flughöhen, in denen die Temperatur zwischen minus 35 und minus 55 Grad Celsius liegt. «Die heutigen Verkehrsstrahlflugzeuge fliegen zu etwa 20 Prozent ihrer Flugzeit in so kalter und feuchter Luft, dass sie langlebige Kondensstreifen bilden», erklärt das Institut für Physik der Atmosphäre des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Dass es sich hierbei um sogenannte «Chemtrails» - also Spuren von in der Luft versprühten (und zumeist nicht näher definierten) Chemikalien - handeln soll, ist vielfach widerlegt, unter anderem vom Umweltbundesamt.

(Stand: 20.4.2023)

Links

Niederländischer dpa-Faktencheck zur erfundenen Länder-Klage

Reuters-Faktencheck zur erfundenen Klage (archiviert)

Mimikama-Faktencheck mit Beispiel für deutsche Posts (archiviert)

Wie eine Bilderrückwärtssuche funktioniert (archiviert)

Google-Ergebnis nach Bilder-Rückwärtssuche (archiviert)

Artikel aus 2008 mit dem Foto (archiviert)

Evergreen Aviation über den «Supertanker» (archiviert)

Youtube-Video 1 (archiviert)

Youtube-Video 2 (archiviert)

«Supertanker»-Seitenansicht bei Getty Images (archiviert)

archivierter niederländischer Post aus 2020

dpa-Faktencheck zu «Chemtrails»

Stichwort «Kondensstreifen» vom Deutschen Institut für Physik der Atmosphäre (archiviert)

Bericht des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2011 (archiviert)

Tweet mit Video (archiviert)

Facebook-Post mit Sharepic (archiviert / archiviertes Sharepic)

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