Krebs-Förderung nicht belegt
Vermeintliche Studie über Laborfleisch existiert nicht
22.3.2023, 16:18 (CET)
Unternehmen und Forscher weltweit arbeiten an der Herstellung von künstlichem Fleisch, um eine Alternative zu Massentierhaltung und Schlachtung anzubieten. Doch wie gesund ist solches Laborfleisch? In sozialen Medien wird behauptet, dass eine neue Studie zeigen soll: «Laborgezüchtetes Fleisch von Bill Gates verursacht Krebs beim Menschen.» Doch dafür gibt es keinen Beleg.
Bewertung
Falsch. Es gibt keine Studie, die beweist, dass Fleisch aus dem Labor krebserregend sein soll. In der ursprünglichen Quelle, auf die sich irreführende Artikel beziehen, geht es sogar um das genaue Gegenteil: Dass Wissenschaftler übereinstimmend davon ausgehen, dass Laborfleisch keinen Krebs auslösen kann.
Fakten
Der Artikel, der in sozialen Medien kursiert, berichtet nicht selbst über die angebliche Studie. Er verweist lediglich auf die Berichte anderer Blogs. Folgt man den Verweisen auf der Suche nach jener Studie, so zeigt sich: Sie existiert gar nicht.
Die kursierenden Texte zu diesem Thema beziehen sich alle auf denselben Artikel von «The National Pulse», einem konservativen Blog, der bereits mit Falschinformationen aufgefallen ist. Der Autor dieses Artikels legt nahe, Fleisch aus dem Labor habe ein Krebs-Problem. Als Ursprung dieser Behauptung verweist er auf einen Artikel des US-Wirtschaftsmediums Bloomberg.
Bei Bloomberg steht allerdings bereits im Teaser des Artikels das genaue Gegenteil: «Führende Wissenschaftler sind sich einig, dass gezüchtetes Fleisch bei Ihnen kein Krebs verursachen kann.» Die Industrie könne das aber nicht mit jahrzehntelangen Datensammlungen beweisen und versuche daher das Thema zu vermeiden.
Im Bloomberg-Artikel geht es um das Imageproblem von gezüchtetem Fleisch. Dieses erwachse daraus, dass Laborfleisch teilweise mit sogenannten «unsterblichen Zelllinien» hergestellt wird, die mit Krebs in Verbindung gebracht werden.
Fleisch wird im Labor hergestellt, indem Stammzellen von einem lebenden Tier entnommen werden. Die Stammzellen werden in eine Kulturflüssigkeit aus Fetten, Aminosäuren, Vitaminen, Mineralien und Zucker gegeben (S. 49), wo sie sich vermehren und zu Muskelgewebe heranwachsen: Fleisch.
Einige Produzenten verwenden dabei unsterbliche Zelllinien (S. 49). Das sind Zellen, die so manipuliert wurden, dass sie sich ewig weiter teilen - wie es auch Krebszellen tun. Die Firmen verwenden diese Zelllinien, um Fleisch rentabel in ausreichend großem Maßstab produzieren zu können, wie der Bloomberg-Artikel erklärt.
Laut Krebsforschern ist diese Methode jedoch unbedenklich. Sie sagten zu Bloomberg, dass es «im Wesentlichen unmöglich» sei, dass Menschen an Krebs erkranken oder dass sich tierische Zellen überhaupt im Körper eines Menschen teilen. Der Biologe Robert Weinberg vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) sagte: «Es ist im Grunde unmöglich, dass sich eine Zelle einer Art in das Gewebe einer anderen Art einbettet. Also selbst wenn man sehr bösartige Zellen von einer Kuh nehmen und sie trinken würde, sehe ich nicht, was das Problem wäre.»
In Deutschland und Europa kann man Laborfleisch noch nicht kaufen: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat bisher noch kein gezüchtetes Fleisch für den europäischen Markt zugelassen, schlägt jedoch vor, dass dessen Sicherheit von unabhängigen Wissenschaftlern untersucht wird.
In den Vereinigten Staaten hat die Lebensmittelzulassungsbehörde FDA im November 2022 aus Stammzellen gezüchtetes Huhn des kalifornischen Unternehmens Upside Foods für sicher zum Verzehr erklärt. Das Hühnchenfleisch aus dem Labor wartet noch auf die Zulassung anderer US-Behörden, bevor es tatsächlich verkauft werden kann. Im März 2023 erklärte die FDA auch das gezüchtete Fleisch der Firma Good Meat für sicher.
Doch was hat das alles überhaupt mit Bill Gates zu tun? Der Microsoft-Gründer gehört einem Medienbericht zufolge und nach Angaben von Upside Foods selbst zu den Investoren des Unternehmens. Es gibt jedoch keine Beweise dafür, dass Gates eine Mehrheitsbeteiligung an Upside Foods oder einem anderen Unternehmen hält, das gezüchtetes Fleisch herstellt.
Gates investiert als Philanthrop weltweit hohe Summen in öffentliche Gesundheit oder neue Technologien. Sein Einfluss ist Gegenstand von Kritik, er macht ihn aber auch häufig zum Feindbild von Desinformationen und Verschwörungserzählungen. So wurde dem Microsoft-Gründer in der Vergangenheit schon fälschlich angedichtet, Menschen Mikrochips einimpfen oder die Welt entvölkern zu wollen.
(Stand: 22.3.2023)
Links
Ursprungsartikel des Screenshots bei Facebook (archiviert)
Artikel von «The National Pulse» (archiviert)
Organisation Newsguard über Falschinformationen von «The National Pulse» (archiviert)
Artikel von Bloomberg über Laborfleisch (archivert)
Verbraucherzentrale über Fleisch aus dem Labor (archiviert)
Umweltbundesamt über unsterbliche Zelllinien bei der Laborfleisch-Produktion, PDF, S. 49 (archiviert)
Einschätzung der EU-Behörde EFSA (archiviert)
Mitteilung der US-Behörde FDA über Freigaben von Laborfleisch (archiviert)
Bericht über Investitionen von Bill Gates (archiviert)
Mitteilung des Unternehmens Upside Food über Investition von Bill Gates (archiviert)
dpa-Faktencheck «Keine Belege, dass Bill Gates mit Corona-Impfung Mikrochips implantieren will»
dpa-Faktencheck «Rede falsch verstanden: Gates sprach über Krankheitsbekämpfung»
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.