Schulung ukrainischer Soldaten

Screenshot von «Financial Times»-Bericht wurde manipuliert

21.03.2023, 11:16 (CET)

Ukrainische Streitkräfte werden in Deutschland für den Umgang mit Leopard-Kampfpanzern geschult. Im Netz kursiert dazu ein gefälschter Bericht über angebliche Asylanträge.

In den vergangenen Wochen haben ukrainische Soldaten an einem Ausbildungsprogramm in Deutschland teilgenommen, um sich für die Verteidigung ihres Heimatlandes vorzubereiten. Dabei standen auch Schulungen für den Umgang mit dem Kampfpanzer Leopard 2 auf dem Programm. In diesem Zusammenhang kursiert im Netz ein vermeintlicher Screenshot eines englischsprachigen Berichts der Tageszeitung «Financial Times» (FT).

In sozialen Netzwerken verweisen User auf den Screenshot und behaupten: Zwei ukrainische Soldaten, die für die Ausbildung nach Deutschland gekommen seien, hätten demnach angeblich in der Bundesrepublik politisches Asyl beantragt. Als Begründung hätten die beiden Soldaten gegenüber der FT angegeben, dass sie nicht dazu bereit seien, «in einem sinnlosen Krieg zu sterben» und dass «Waffenlieferungen in keiner Weise zu einem Sieg» der Ukraine beitragen würden. Hat die Zeitung das wirklich so berichtet?

Bewertung

Falsch. Der zweite Absatz in dem Screenshot wurde manipuliert und die Geschichte über die zwei Soldaten erfunden. In dem Original-Text ist von den Soldaten und den Asylanträgen nie die Rede gewesen. Das bestätigte eine FT-Sprecherin auf Anfrage. Derweil hat das Bundesinnenministerium keine Hinweise darauf, dass ukrainische Soldaten im Rahmen der Ausbildung Asylanträge gestellt haben.

Fakten

Der Bericht aus dem vermeintlichen Screenshot trägt die Überschrift «Ukrainian troops to start training on Leopard 2 tanks next week» (auf Deutsch: Ukrainische Streitkräfte beginnen nächste Woche mit der Ausbildung am Kampfpanzer Leopard 2). Unter diesem Titel hat die «Financial Times» am 2. Februar 2023 tatsächlich einen Artikel auf ihrer Webseite veröffentlicht. Inhaltlich geht es um die Vorbereitungen für die EU-Ausbildungsmission der ukrainischen Soldaten und die Übungen am Kampfpanzer Leopard 2.

Bei einem Vergleich fällt jedoch auf: Während in dem Screenshot im zweiten Textabsatz von Asylanträgen zweier ukrainischer Soldaten die Rede ist, fehlt dieser Abschnitt im Bericht auf der FT-Webseite. Stattdessen heißt es dort im zweiten Absatz: Nach Angaben von zwei mit den Vorbereitungen vertrauten Personen sei alles dafür bereit, um den ukrainischen Streitkräften den Einsatz der modernen Kampfpanzer beizubringen. Über die vermeintlich gestellten Asylanträge enthält der Text keine Informationen.

Die FT hat den Bericht am 2. Februar 2023 publiziert. Es lassen sich archivierte Versionen vom 2. und 3. Februar finden, in denen der angebliche Absatz ebenfalls fehlt (hier und hier). Das spricht dafür, dass der Screenshot manipuliert und der Absatz nachträglich hinzugefügt worden sein könnte.

Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigte eine Sprecherin der Zeitung: Der im Netz kursierende Screenshot ist gefälscht. «Die FT ist international für ihre Integrität und Genauigkeit anerkannt und wir verurteilen die Verbreitung von Desinformationen», teilte sie mit. Die Zeitung habe den Artikel daher mittlerweile für jeden User frei lesbar gemacht, «um sicherzustellen, dass Menschen überall Zugang zur Wahrheit haben». Den angeblichen Absatz aus dem Screenshot hat es also auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nie gegeben.

Sonderregelung: Menschen aus der Ukraine müssen kein Asyl beantragen

Unabhängig von den Behauptungen im Netz und dem gefälschten Screenshot lassen sich keine Hinweise finden, dass ukrainische Soldaten im Rahmen der Leopard-Ausbildung in Deutschland tatsächlich Asyl beantragt haben. Dem zuständigen Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) liegen dazu ebenfalls keine Erkenntnisse vor, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

Grundsätzlich ist es für geflüchtete ukrainische Staatsbürger momentan auch nicht notwendig, in Deutschland Asyl zu beantragen, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in einem FAQ erklärt. Denn Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine erhalten in Deutschland einen vorübergehenden Schutz. Hintergrund ist eine EU-Entscheidung vom 4. März 2022, die eine EU-Richtlinie für den Fall eines «Massenzustroms» von Vertriebenen aktiviert hat. Dadurch können geflüchtete Menschen aus der Ukraine in Deutschland entsprechende Aufenthaltserlaubnisse nach Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) beantragen.

Zur Sicherung eines Aufenthaltsrechts oder zur Inanspruchnahme sozialer Leistungen ist ein Asylantrag nicht erforderlich und wird somit nicht empfohlen, schreibt das BAMF. «Das Recht, zu einem späteren Zeitpunkt einen Asylantrag zu stellen, besteht jedoch unabhängig davon fort.»

Training vor Abschluss: Ausbildung erfolgt im Auftrag der EU

Die ukrainischen Soldaten, die an den Einsatztrainings für den Kampfpanzer Leopard 2 in Deutschland teilgenommen haben, beenden derzeit ihre Ausbildung. Für das Training der ukrainischen Streitkräfte in Deutschland wurde zur Koordination ein sogenanntes Special Training Command in Strausberg bei Berlin eingerichtet. Bisher seien 1100 Soldatinnen und Soldaten geschult worden, darunter sind aber nicht nur Panzer-Soldaten.

Die Ausbildung erfolgt im Auftrag der Europäischen Union. Nach Angaben der Bundeswehr werden seit November 2022 Truppen aus der Ukraine im Rahmen der European Military Assistance Mission Ukraine (EUMAM UA) in Europa ausgebildet. Insgesamt will die EU rund 30.000 ukrainische Soldaten und Soldatinnen trainieren.

(Stand: 20.3.2023)

Links

Originaler FT-Bericht vom 2. Februar 2023 (archiviert)

archivierte Versionen I und II zu verschiedenen Zeitpunkten

BAMF zur Einreise aus der Ukraine und zum Aufenthalt in Deutschland (archiviert)

EU-Durchführungsbeschluss 2022/382 vom 4. März 2022 (archiviert)

EU-Massenzustrom-Richtlinie 2001/55/EG (archiviert)

§ 24 des Aufenthaltsgesetzes (archiviert)

dpa-Bericht zum Abschluss der Kampfpanzer-Ausbildung für ukrainische Soldaten (archiviert)

Bundeswehr zur Ausbildung ukrainischer Soldaten (archiviert)

Über EUMAM UA (archiviert)

Facebook-Post (archiviert / archivierter Fake-Screenshot)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.