Ukraine-Krieg

Angebliche Aussage des polnischen Premiers ist Erfindung russischer Propaganda

15.02.2023, 14:10 (CET)

Seit Beginn des russischen Ukraine-Krieges kursieren Falschinformationen über eine angebliche Einmischung Polens. Auch eine gefälschte Aussage von Mateusz Morawiecki passte in dieses Narrativ.

Polen unterstützt sein Nachbarland Ukraine stark bei der Verteidigung gegen den russischen Einmarsch. Das macht es zur Zielscheibe russischer Desinformation. In sozialen Medien verbreitet sich derzeit eine überraschende Behauptung: «Der polnische Premierminister Mateusz Marowiecki forderte Selenskyj auf, die Gebiete der Westukraine "vorübergehend" an Polen zu übertragen» (falsche Namensschreibweise im Original). Der Wahrheit entspricht das nicht.

Bewertung

Die Meldung ist erfunden. Die Berichte auf russischen, kremlnahen Portalen sind mittlerweile gelöscht. Einen Beleg für eine solche Aussage Morawieckis gibt es nicht.

Fakten

Mittlerweile führen mehrere vermeintliche Belege für die Geschichte ins Leere: Ein in einem Tweet angehängter Screenshot zeigt einen Artikel der Seite «SM News». Dieser Artikel vom 6. Februar 2023 ist mittlerweile gelöscht und nur noch in einer Archiv-Version lesbar. Hier wird als Quelle für die brisante Aussage des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki ein Bericht von «Tsargrad» genannt.

Auch dieser ist nach seiner Löschung nur noch als Archiv-Version lesbar. Darin wird behauptet, der polnische Ministerpräsident habe sich mit seiner angeblichen Aussage an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gerichtet. Mateusz Morawiecki soll demnach gesagt haben: «Die westlichen Gebiete der Ukraine werden sicher sein, wenn sie vorübergehend unter das Protektorat des polnischen Staates kommen».

Doch ein Beleg ist auch das nicht. Weder in dem Text von «Tsargrad», noch in dem Text von «SM News» wird eine Angabe gemacht, wann genau und wo oder in welcher Form sich Morawiecki derart geäußert haben soll. So wird Leserinnen und Lesern erschwert, die Quellen zu prüfen.

Bei den beiden Webseiten handelt es sich nicht um unabhängige Medien, obwohl sie auf den ersten Blick so wirken mögen. «SM News» ist ein kremltreues und laut eigener Webseite vom russischen Digitalministerium unterstütztes Informationsportal. «Tsargrad TV» ist ein nationalistischer, christlich-orthodoxer TV-Sender in Russland. Er gehört zu einem russischen Oligarchen, der international aufgrund seiner Unterstützung der russischen Annexion der Krim und prorussischer Kämpfer in der Ostukraine mit Sanktionen belegt ist.

Sucht man im Archiv der Deutschen Presse-Agentur, in anderen deutschen Medien oder in polnischen Medien nach Berichten, die rund um den 6. Februar über Äußerungen von Morawiecki zur Ukraine erschienen sind, findet sich nichts, was den auf russischen Propaganda-Seiten kursierenden Behauptungen ähnelt.

Morawiecki äußerte sich am 6. Februar etwa im Rahmen der «Warschauer Konferenz», einem von Polen ins Leben gerufenen Format, um sich über die Unterstützung der Ukraine auszutauschen. Eine Aussage, die sich auf den Schutz der Westukraine bezieht, findet sich in der Mitteilung der polnischen Regierung nicht.

Morawiecki spricht von internationaler Unterstützung für die Ukraine und nannte das Land eine «Hochburg der Freiheit Europas». Polen sei bereit, Verantwortung für eine neue Weltordnung zu übernehmen, in der russische Vorherrschaft keinen Platz habe.

Dass Polen angeblich in die Ukraine einmarschieren will, ist eine Falschinformation, die bereits mehrfach kursierte und von prorussischen Seiten verbreitet wurde. Selbst gefälschte polnische Militärbefehle kursierten schon im Mai 2022 in sozialen Medien. Das Generalkommando der polnischen Streitkräfte bezeichnete sie auf Twitter als «Fake News».

(Stand: 14.2.2023)

Links

Tweet mit der falschen Behauptung (archiviert)

Gelöschter Propaganda-Artikel bei «SM News»

Archiv-Version des gelöschten Textes

Gelöschter Text bei «Tsargrad»

Archiv-Version des Textes bei «Tsargrad»

Bericht von Reuters über «Tsargrad» und seinen Besitzer (archiviert)

Sanktionen gegen Besitzer von «Tsargrad» (archiviert)

Mitteilung der polnischen Regierung zu Äußerungen von Morawiecki am 6. Februar (archiviert)

dpa-Faktencheck «Fake-News-Seite erfindet polnische Einmarsch-Pläne»

Dementi des polnischen Generalkommandos auf Twitter (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

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