Kein spurloses Verbrennen

Historiker über Dresden 1945: maximal 25 000 Tote

14.2.2023, 15:49 (CET), letztes Update: 14.2.2023, 16:11 (CET)

Bei alliierten Luftangriffen werden 1945 große Teile Dresdens zerstört. Manche meinen, Hunderttausende seien dabei ums Leben gekommen. Doch wissenschaftliche Erkenntnisse stehen dem entgegen.

Jedes Jahr wird im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens ärgster Geschichtsrevisionismus betrieben und die Zahl der damaligen Todesopfer in der Elbmetropole drastisch überhöht. Die Luftangriffe der Alliierten gegen Hitler-Deutschland sollen damit als beispiellos grausam erscheinen. Im Widerspruch zu den eindeutigen Ergebnissen jahrelanger Forschung wird auch 2023 erneut behauptet, im Februar 1945 hätten Hunderttausende Zivilisten in Dresden ihr Leben verloren.

Bewertung

Falsch. Eine unabhängige Kommission aus etwa einem Dutzend Historikern hat im Jahr 2010 nach intensiven Prüfungen herausgefunden, dass damals nicht mehr als 25 000 Menschen gestorben sind. Ausgeschlossen ist, dass Leichen spurlos verbrannt sind.

Fakten

Zwischen 13. und 15. Februar 1945 wird die sächsische Metropole Ziel von rund 4000 britischen und amerikanischen Spreng- und Brandbomben. Das Stadtzentrum wird nahezu vollständig zerstört. Tausende Menschen sterben - Dresdner, Flüchtlinge, Militärangehörige, Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter.

In ihrem fast 100 Seiten starken Bericht kommt 2010 eine von der Stadt Dresden eingesetzte Historikerkommission nach mehr als fünf Jahren Forschung zu dem Schluss (S. 67): Bei den Angriffen im Februar 1945 sind nicht mehr als 25 000 Menschen ums Leben gekommen. Die Experten untersuchten unter anderem Friedhofsunterlagen und werteten mehr als 1300 Aussagen von Zeitzeugen aus.

Die Kommission bilden damals geschichtswissenschaftliche Vertreter und Vertreterinnen unter anderem des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr, des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden, des Stadtarchivs Dresden, des Stadtmuseums Dresden und des sächsischen Landesamtes für Archäologie.

Die Kommission hat unter anderem Zahlen in internen Protokollen von örtlicher SS und Polizei untersucht (S. 19), die kurz nach den Angriffen nach Berlin übermittelt wurden. Demnach hat die Dresdner Polizei bis 10. März gut 18 300 getötete Menschen gezählt. Für den Stichtag 31. März wird die Zahl mit knapp 22 100 weitergeleitet. In einem dieser Berichte nach Berlin ist festgehalten, dass aufgrund der Erfahrungen und Bergungen mit etwa 25 000 Toten gerechnet wird. Im April 1946 bilanziert das Dresdner Statistikamt genau diese Zahl.

Doch damals wird schnell schon von der deutschen Führung öffentlich eine viel höhere Zahl kolportiert. Der NS-Propagandaapparat versucht, die Angriffe am Ende des Zweiten Weltkriegs für sich zu nutzen. Im Laufe der Jahrzehnte wachsen die Angaben teils auf 100 000, auf 500 000 oder auf bis zu mehr als einer Million Opfer an. Vor allem Rechtsextremisten stellen die Luftangriffe auch heute noch als beispiellos hin und versuchen damit, die deutsche Schuld an Weltkrieg und Holocaust zu relativieren.

Die Dresdner Historiker überprüften explizit auch weit höhere Angaben im sechsstelligen Bereich. Doch weder aus der Rekonstruktion der Ereignisse noch bei der Prüfung von Dokumenten, Erinnerungen, Statistiken oder militärtechnischen Untersuchungen «können belastbare Argumente für Totenzahlen von 100 000 und mehr festgestellt werden», heißt es (S. 69).

Die Forscher gingen auch der Behauptung nach, dass angeblich Tausende Menschen in einem Flammeninferno spurlos verbrannt sein könnten (S. 65). Die These: Daher liege die Zahl der Todesopfer in Wahrheit weit höher. Doch kamen die Historiker nach der Konsultation von Experten unter anderem aus Brandschutz, Rechtsmedizin, Archäologie und Architektur zu dem Ergebnis, dass das spurlose Verschwinden einer größeren Zahl von Menschen unmöglich gewesen sei.

In einem begleitenden wissenschaftlichen Artikel wird detailgetreu aufgeführt, unter welchen Bedingungen menschliche Körper vollständig verbrennen. Demnach müssen über einen längeren Zeitraum kontinuierlich Temperaturen von mindestens 1000 Grad Celsius einwirken können. Nach Angaben rechtsmedizinischer Gutachter ist das in Dresden aber nicht der Fall gewesen. Das würde «vor dem Hintergrund der historischen Tatsachen jeglicher naturwissenschaftlich-logischen Überlegung widersprechen», heißt es in der Analyse.

(Stand: 14.02.2023)

Links

Abschlussbericht der Historikerkommission über Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 (archiviert)

Kommissionsmitglied Widera über Expertengutachten zu Brandtemperaturen

Telegram-Post mit Falschbehauptung über Tote in Dresden (archiviert)

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