Angeblicher US-Angriff

Strahlung der Haarp-Anlage kann keine Erdbeben auslösen

10.02.2023, 13:45 (CET)

Im Netz kursieren Behauptungen, nach denen das Erdbeben in der Türkei und in Syrien auf einen sogenannten Haarp-Angriff zurückgeht. Doch die Technologie wäre dazu nicht in der Lage.

Nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien steigt die Zahl der Todesopfer täglich. In den sozialen Medien verbreitet sich nun die Behauptung, das Beben gehe auf einen sogenannten Haarp-Angriff der USA zurück. Haarp steht für das «High-frequency Active Auroral Research Program», ein Projekt in Alaska, bei dem mit Hochfrequenz-Wellen ein bestimmter Teil der Erdatmosphäre untersucht wird.

Bewertung

Eine Technologie, wie sie beim Haarp verwendet wird, kann keine Erdbeben auslösen. Die blitzartigen Lichter, die auf vielen Videos zu sehen sind, gehen auf andere Ursachen zurück - etwa Kurzschlüsse.

Fakten

Eine am Tag des schweren Erdbebens in Syrien und der Türkei verbreitete Aufnahme zeigt blitzartige Lichter, die über einer Ortschaft in Bodennähe aufflackern. Andere Lichter blitzen am Horizont auf, ähnlich wie bei einem entfernten Gewitter. Einige Nutzerinnen und Nutzer werten die Aufnahmen als Beweis für einen sogenannten Haarp-Angriff der USA, also für ein gezieltes Auslösen des Erdbebens mittels hochfrequenter Strahlung. Tatsächlich ist auf dem Video nicht das schwere Erdbeben im Südosten der Türkei oder in Syrien zu sehen, sondern ein Beben vom November nahe der Stadt Düzce im Nordwesten des Landes.

Haarp-Anlage kann keine Beben auslösen

Die Haarp-Anlage gibt es wirklich, es ist eine Einrichtung in Fairbanks, Alaska, die die Ionosphäre untersuchen soll. Das ist ein Teil der oberen Erdatmosphäre. Nach Angaben von Haarp wurde die Anlage bis 2015 von der US-Luftwaffe betrieben, seitdem von der Universität Alaska. Sie will mittels hochfrequenter Strahlen die physikalischen Prozesse verstehen, die sich in der Ionosphäre abspielen.

Die von der Haarp-Anlage gesendeten Radiowellen bewegen sich im Mega- und Gigahertzbereich, wie Oliver Heidbach, Geophysiker am Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam, der Deutschen Presse-Agentur sagte. Das reiche nicht aus, um das Gestein in der Erdkruste in Bewegung zu setzen. «Sie können daher auch kein Erdbeben auslösen», sagte Heidbach. Hinzu komme, dass die Haarp-Anlage lediglich über eine Leistung von 3,6 Mega-Watt verfüge. «Dies entspricht gerade der Leistung von etwa 3600 Toastern, was verschwindend gering ist verglichen mit den Kräften und der Leistung, die es braucht, um ein Erdbeben auslösen zu können.»

Grundsätzlich seien Menschen zwar dazu in der Lage, seismische Ereignisse auszulösen, etwa durch Bohrungen nach Gas und Öl oder durch den Einsturz eines alten Bergschachts. Derlei Erschütterungen seien von Menschen aber nur in seltenen Fällen wahrnehmbar. «Natürliche, tektonische Erdbeben wie jetzt in der Türkei und in Syrien haben hingegen eine viel größere Zerstörungskraft.»

Um die Haarp-Anlage in Alaska ranken sich bereits seit Längerem Falschbehauptungen und Verschwörungsmythen. In der Vergangenheit wurde etwa fälschlicherweise behauptet, die Technologie könne das Wetter beeinflussen. Ein Video, das angeblich einen Angriff auf das Gelände zeigen sollte, wurde tatsächlich in Brasilien aufgenommen, wie dieser dpa-Faktencheck zeigte.

Ursache von Erdbebenlichtern unklar

Die blitzartigen Lichter, die auch auf anderen Aufnahmen zu sehen sind, gehen nicht auf einen etwaigen «Haarp-Angriff» zurück. Welche Ursachen die Lichter im Einzelfall haben, lässt sich nicht überprüfen. Es kommt allerdings immer wieder vor, dass Augenzeugen bei Erdbeben von Blitzen und vergleichbaren Lichtern berichten. In der Wissenschaft wurde deshalb bereits die Hypothese aufgestellt, dass es zu sogenannten Erdbebenlichtern kommen kann.

Eine Forschergruppe hatte 2014 im Fachmagazin «Seismological Research Letters» argumentiert, dass sich die große mechanische Spannung der tektonischen Platten zu einer elektrischen Ladung aufbaut und somit Blitze erzeugen könne. Einen wissenschaftlichen Konsens gibt es zu der Hypothese allerdings nicht.

Ob Erdbeben tatsächlich derlei Lichter hervorrufen können, ist Gegenstand weiterer Untersuchung, wie ein Sprecher der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sagte. «Dabei muss man beachten, dass die meisten Lichterscheinungen, die während eines Erdbebenereignisses auftreten, durch Zerstörungen an Stromversorgungseinrichtungen entstehen.» Dazu zählten etwa Strommasten oder Umspannwerke, die durch die Erschütterungen Schaden nehmen.

(Stand: 10.2.2023)

Links

Video vom Beben im November (archiviert)

Weiteres Facebook-Video (archiviert)

Website Haarp(archiviert)

Faktencheck zum angeblichen Angriff auf die Haarp-Anlage

Artikel «Seismological Research Letters» (archiviert)

Originalvideo aus einer Nachrichtensendung zum Erdbeben in Düzce

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