Video zu Lend-Lease Act

EU-Zahlungen und US-Waffenlieferungen an die Ukraine falsch dargestellt

16.1.2023, 15:29 (CET), letztes Update: 23.1.2023, 11:42 (CET)

In einem kursierenden Video werden Behauptungen zu den Hilfeleistungen der EU und der USA aufgestellt. Dabei werden die Mechanismen unterkomplex dargestellt.

Am 24. Februar 2022 startete Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine. Seitdem ist dort aus vielen Ländern finanzielle und militärische Hilfe angekommen, zahlreiche Unterstützungspakete wurden geschnürt und Unsummen aus den Haushalten freigeschlagen.

US-Präsident Joe Biden unterzeichnete etwa den sogenannten «Lend-Lease Act», zu Deutsch «Leih- und Pachtgesetz». Dazu kursiert im Netz ein Video, in dem auch EU-Hilfen thematisiert werden: Zum einen sollen US-Diplomaten und -Politiker die EU dazu drängen, mehr Geld in die Ukraine zu überweisen - die Rede ist von 3,5 Milliarden Euro pro Monat. Zum anderen wird behauptet, die USA hätten Waffen im Gegenwert von 40 Milliarden Dollar an die Ukraine verliehen beziehungsweise verpachtet. Diese Waffen soll die Ukraine nun angeblich mit den EU-Geldern bezahlen.

Bewertung

Die aufgestellten Behauptungen sind teilweise falsch, teilweise aus dem Kontext gerissen. Die EU muss keine 3,5 Milliarden Euro pro Monat zahlen, die USA haben bislang keine Waffen im Gegenwert von 40 Milliarden Dollar geliefert.

Fakten

Bei dem Video handelt es sich um einen Zusammenschnitt, zeitlich lässt es sich nicht genau einordnen. Von den 3,5 Milliarden Euro, die die Ukraine pro Monat benötigt, war aber erstmals Ende September 2022 zu hören, als die «Financial Times» berichtete. Damals soll der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal diese Summe gegenüber dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, als «monatliche Finanzierungslücke» genannt haben.

US-Offizielle hatten damals laut der «Financial Times» zu schnelleren und höheren Zahlungen an die Ukraine gedrängt, da die EU zu diesem Zeitpunkt erst eine der im Mai versprochenen neun Milliarden Euro gezahlt hatte.

Dass den geforderten Betrag von monatlich 3,5 Milliarden Euro allein die EU zu stemmen hat, ist allerdings falsch: Rein finanzielle Unterstützung erhält die Ukraine unter anderem aus dem «International Monetary Fund» (IMF) der UN und der «Macro-Financial Assistance» (MFA) der EU. Darüber hinaus unterstützen mehrere Staaten die Ukraine finanziell, humanitär und militärisch - zum Beispiel die USA, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Kanada und Polen.

Im Zuge der MFA beschloss das EU-Parlament im Dezember 2022 ein Hilfspaket für das Jahr 2023 mit einem Gesamtvolumen von 18 Milliarden Euro. Rechnerisch entspricht das 1,5 Milliarden pro Monat. Damit soll ein Teil des monatlichen finanziellen Aufwands der ukrainischen Regierung gedeckt werden. Es handelt sich dabei jedoch um keine Schenkung, sondern um ein Darlehen. Dieses wird zu Vorzugsbedingungen gewährt, ist aber an Reformen geknüpft.

Über die finanzielle Unterstützung hinaus hat die Ukraine auch humanitäre und militärische Hilfe erhalten. US-Präsident Joe Biden unterzeichnete etwa am 9. Mai 2022 den sogenannten «Lend-Lease Act 2022». Mit diesem «Leih- und Pachtvertrag» soll die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine erheblich erleichtert werden.

In dem kursierenden Video ist die Rede von US-Waffen im Gegenwert von 40 Milliarden Dollar, was allerdings falsch ist. Bis zum 20. November 2022 hatten die USA der Ukraine laut dem «Kiel Institut für Weltwirtschaft» zwar mehr als 47 Milliarden Euro zugesagt, doch mehr als die Hälfte davon waren finanzielle und humanitäre Hilfen. Militärische Unterstützung machte nur 22,9 Milliarden Euro aus.

Darunter fielen jedoch keine Waffen aus dem Lend-Lease-Programm, wie der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums dem ukrainischen Medium «Hromadske» mitteilte. Sollten die USA noch darauf zurückgreifen, wären diese gelieferten Waffen Leihgaben. Bei diesen ist nicht ausgeschlossen, dass die Ukraine sie später noch bezahlen muss.

Im «Lend-Lease Act 2022» ist in Sektion 2, Abschnitt a, Absatz 3 festgelegt, dass «jegliche Darlehen oder Verpachtungen von Verteidigungsgütern an die Regierung der Ukraine [...] [der] Rückgabe, Erstattung und Rückzahlung [unterliegen]». Zum Zeitpunkt der Rückzahlung ist Stand 16. Januar 2023 jedoch nichts bekannt.

Der «Lend-Lease Act 2022» hat aber ein historisches Vorbild aus dem Jahr 1941. Damals unterstützten die USA unter anderem die Sowjetunion und das Vereinigte Königreich mit Darlehen und Kriegsgütern im Kampf gegen Deutschland. Dabei wurde ebenfalls eine Erstattung der Darlehen und Kriegsgeschütze festgelegt, den empfangenden Regierungen wurde allerdings ein signifikanter Anteil erlassen.

Außerdem forderte Washington die Rückzahlung nicht unmittelbar nach Kriegsende ein. So zahlte etwa das Vereinigte Königreich erst im Jahr 2006 die abschließende Rate. In welchem Umfang und in welchem Zeitraum die Ukraine Rückzahlungen in Rahmen des «Lend-Lease Act 2022» zu tätigen hat, ist also derzeit ebenso ungewiss wie die Frage, ob dazu Teile der EU-Gelder verwendet werden.

(Stand: 16.1.2023)

Berichtigung

In einer vorherigen Version wurde geschrieben, «dass diese [bisher gelieferten] Waffen Leihgaben sind, die die Ukraine bezahlen muss». Das ist allerdings falsch: Die laut dem «Kiel Institut für Weltwirtschaft» bis 20. November 2022 zugesagten US-Militärhilfen im Wert von 22,9 Milliarden Euro stehen nicht in Zusammenhang mit dem «Lend-Lease Act 2022».

Links

Archiviertes Video

Facebook-Beitrag (archiviert)

archivierter «Financial Times»-Artikel

Informationen zum IMF der UN (archiviert)

Informationen zur MFA der EU (archiviert)

18-Milliarden-Euro-Paket der EU (archiviert)

Informationen zum 18-Milliarden-Euro-Paket (archiviert)

«Hromadske»-Artikel (archiviert)

«Lend-Lease Act 2022» (archiviert)

Informationen des US-Verteidigungsministeriums zum «Lend-Lease Act 2022» (archiviert)

Ukraine Support Tracker des ifw Kiel (archiviert)

BBC-Bericht vom 10. Mai 2006 (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.