Gerüchte um Impfung

Angebliche Krankheitsstatistik bei Porsche existiert nicht

16.01.2023, 17:20 (CET)

In einem Video stellt ein Mann mehrere Behauptungen auf. Es geht um Porsche, das Stuttgarter Jugendamt und die Corona-Impfung. Die Aussagen zielen darauf ab, Narrative von Impfgegnern zu stärken.

In sozialen Netzwerken macht seit Anfang Januar ein Video die Runde: In der Aufnahme behauptet ein Mann, dass die Firma Porsche angeblich 104 Mitarbeiter wegen gefälschter Impfpässe entlassen hätte. Geimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens seien «viel kränker» als das ungeimpfte Personal. Das würde eine interne Krankheitsstatistik belegen, wie der Mann von einer Porsche-Mitarbeiterin erfahren habe. Zu Beginn des Videos erwähnt er zudem Todesfälle im Stuttgarter Jugendamt und suggeriert, dass diese mit einer Corona-Impfung in Zusammenhang stehen würden.

In der Aufnahme spricht der Mann von «Geschlumpften» statt von Geimpften oder von «gefälschten Schlumpfpässen» statt Impfpässen. Die Nutzer verstehen seine Aussagen dennoch und verbreiten das Video bei Facebook und Telegram mit Kommentaren wie: «Langsam erkennen immer mehr Firmen, wie schädlich "die Impfung" wirklich ist und was es für ihre Mitarbeiter bedeutet.» Doch stimmen die Aussagen?

Bewertung

Das Video enthält falsche Behauptungen: Wie Porsche auf dpa-Anfrage erklärte, gibt es keine solche Krankheitsstatistik. Es ist somit gar nicht möglich, entsprechende Rückschlüsse zu ziehen. Der Autobauer bestätigte zwar Kündigungen aufgrund gefälschter Impfpässe. Allerdings liege die tatsächliche Zahl der entlassenen Mitarbeiter deutlich unter den Angaben im Video. Derweil geht die Stadt Stuttgart gegen die Verbreitung von Todesanzeigen von gestorbenen Beschäftigten des Jugendamtes vor, die von Impfgegnern mit einer Corona-Impfung in Verbindung gebracht werden.

Fakten

Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur hat sich der Stuttgarter Autobauer zu den Aussagen in dem Video geäußert: «Die angeführten Krankheitsstatistiken gibt es nicht, denn: Bei Krankschreibungen erhält der Arbeitgeber keine Diagnose», betont Porsche. Auch die Verbraucherzentrale weist grundsätzlich darauf hin, dass der Grund der Krankmeldung - etwa eine Erkältung oder ein Knochenbruch - von den Krankenkassen nicht an den Arbeitgeber weitergegeben wird.

Porsche sei zudem der Impfstatus von einzelnen Mitarbeitern nicht bekannt. «Eine statistische Auswertung dieser Art ist also nicht möglich», teilte ein Sprecher mit.

Der Sportwagenhersteller, der unter anderem auch in Leipzig und in Ludwigsburg Standorte betreibt, bestätigte auf Anfrage Mitarbeiter-Entlassungen wegen gefälschter Impfausweise. Im Rahmen der seinerzeit geltenden Corona-Verordnung sei Porsche als Arbeitgeber verpflichtet gewesen, ausschließlich genesenen, geimpften oder getesteten Mitarbeitern Zugang zum Betriebsgelände zu gewähren und die Einhaltung der 3G-Regel zu prüfen. «Sofern Mitarbeiter dem Arbeitgeber einen gefälschten Impfpass vorgelegt haben, hat Porsche das Arbeitsverhältnis mit den Mitarbeitern beendet - wie viele andere Unternehmen auch», erklärte die Firma.

Die Zahl der Kündigungen in diesem Zusammenhang bewege sich im unteren zweistelligen Bereich. Sie liegt damit deutlich unter den Angaben aus dem Video. Eine genaue Zahl nannte das Unternehmen nicht.

Stadtverwaltung geht gegen Verbreitung von Traueranzeigen vor

Zu Beginn des Videos spricht der Mann von drei Angestellten des Stuttgarter Jugendamtes, die in den vergangenen Tagen «plötzlich und unerwartet» verstorben seien. Unter dem Hashtag «#plötzlichundunerwartet» stellen Impfgegner immer wieder unbelegte Zusammenhänge von unerwarteten Todesfällen meist prominenter oder junger Personen mit der Covid-19-Impfung her - so etwa hinsichtlich des Todes von Lisa Marie Presley.

Unter der Impfgegner-Phrase verbreiteten Nutzer in den sozialen Netzwerken zuletzt auch mehrere Todesanzeigen für gestorbene Beschäftigte des Jugendamtes, die die Stadt Stuttgart im Dezember geschaltete hatte. Dazu gibt es im Netz Andeutungen, Geraune und Spekulationen darüber, dass die Todesfälle eine vermeintliche Häufung zeigen würden und die Corona-Impfung die Todesursache sein könnte. Belege für diese Behauptungen liefern die User jedoch nicht.

Die im Netz verbreiten Todesanzeigen sind echt und wurden in einem Trauerportal einer Stuttgarter Zeitung veröffentlicht. Sven Matis, Sprecher der Stadtverwaltung, bestätigte auf dpa-Anfrage: «Acht Menschen sind im vergangenen Jahr verstorben, die bis zu ihrem Tod im Jugendamt tätig waren. Acht. Von rund 4000.» Das Jugendamt mit etwa 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die größte Behörde der Stadt, in der mehr als 600 000 Menschen leben. Für die Stuttgarter Verwaltung arbeiten insgesamt etwa 16 000 Menschen.

Es gebe keine Anzeichen für eine ungewöhnliche Häufung an Todesfällen bei der Stadtverwaltung, sagte der Sprecher. Es sei Zufall, dass es fünf Todesfälle im Dezember gegeben habe. Für die Stadt und besonders die Kolleginnen und Kollegen sei jeder einzelne Todesfall tragisch. «Todesursachen sind höchstpersönlich und gehen den Arbeitgeber nichts an.»

Dass die Todesanzeigen der Kollegen nun von Impfgegnern verbreitet werden und mit einer Corona-Impfung in Verbindung gebracht werden, empört die Behörde. Die Stadt Stuttgart geht daher gegen die Posts in den sozialen Medien rechtlich vor. «Wir haben bislang einen Strafantrag wegen Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener gestellt sowie eine Strafanzeige, weil sogar Volksverhetzung als Straftat in Betracht kommt», bestätigte Matis der dpa. Zuerst hatte T-Online berichtet.

Keine Hinweise auf Zusammenhang von Impfung mit Übersterblichkeit

Die Andeutungen über eine vermeintliche Häufung von Todesfällen bei der Stadt Stuttgart passen derweil zu einem weiteren von Impfgegnern verbreiteten Narrativ. So kursiert immer wieder die Behauptung einer angeblich durch die Covid-Impfstoffe ausgelösten Übersterblichkeit. Tatsächlich hat das Statistische Bundesamt (Destatis) für das Jahr 2022 eine überdurchschnittliche Zunahme bei den Sterbefällen registriert, wie aus vorläufigen Ergebnissen einer Sonderauswertung hervorgeht. Diese geht über den erwarteten Anstieg der Zahlen durch den wachsenden Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung hinaus.

Wie die Wiesbadener Behörde mitteilt, könnten Covid-19 und ein hohes Niveau bei Atemwegsinfekten wie der Grippe eine mögliche Ursache für den Anstieg in bestimmten Monaten und Wochen sein. Im Dezember lagen die Sterbefallzahlen auf Basis einer Hochrechnung mit 19 Prozent deutlich über dem Vergleichswert. In den von Hitzerekorden geprägten Sommermonaten Juni bis August beobachtete das Statistische Bundesamt ebenfalls überdurchschnittliche Sterbefallzahlen. Die genaue Auswertung der Todesursachen steht aber noch aus. Bislang gibt es keine Belege für einen Zusammenhang mit den Corona-Impfungen.

(Stand: 16.1.2023)

Links

Verbraucherzentrale zur Krankmeldung beim Arbeitgeber (archiviert)

Über die Porsche-Standorte (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Behauptungen über den Tod von Lisa Marie Presley

Tweet von Stadtsprecher (archiviert)

Aktuelle Einwohnerzahlen für Stuttgart (archiviert)

Bericht von T-Online zur Strafanzeige der Stadt (archiviert)

Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes zu den Sterbefallzahlen (archiviert)

Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes (archiviert)

dpa-Faktencheck: Übersterblichkeit in der Pandemie ist gut belegt, Zusammenhang mit Impfungen nicht

Facebook-Post mit Video (archiviert / archiviertes Video)

Telegram-Post (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.