Kampagne aus der Türkei
Satireseite kopierte jahrealte Weihnachtsmann-Illustration
4.1.2023, 16:01 (CET), letztes Update: 4.1.2023, 16:03 (CET)
Religiöse Traditionen sind immer wieder Ziel sowohl von Politisierung als auch Satire. Besonders im Internet sind die Grenzen da oft fließend. Aktuell kursiert beispielsweise der Screenshot eines Facebook-Posts, in dem angeblich eine Antifa-Gruppierung Weihnachten als diskriminierend bezeichnet. Doch ist das wirklich ernst gemeint?
Bewertung
Der Post stammt von einer Satire-Seite und ist mehrere Jahre alt. Ursprünglich wurde die Illustration für eine Demonstration gegen Weihnachts- und Silvesterfeiern in der Türkei entworfen.
Fakten
Das im Netz geteilte Bild zeigt einen Weihnachtsmann, der von einem Mann mit Kinnbart geschlagen wird. Darunter ist zu lesen: «Wir sagen NEIN zu Weihnachten! Es diskriminiert muslimische Mitmenschen und grenzt diese aus.» Der Post stammt von der Facebook-Seite «Internationalsozialistische Antifa» und ist dort an Heiligabend 2019 erschienen.
Laut Steckbrief bezeichnet sich die Gruppierung als «Bunt, offen, vielfältig, maximal tolerant und pro Islam in all seinen Facetten.» Auf der Seite finden sich überspitzt oder provokant formulierte Äußerungen. In Verbindung mit dem Namen der Seite liegt es nahe, dass es sich um Satire handeln muss.
Auch der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen urteilte 2018 in einer Wahlprüfungsbeschwerde, dass die Seite zweifelsohne nicht von Antifa-Aktivisten stammt. Dort würden «vermeintlich linke Positionen absurd überspitzt». Es sei zudem unwahrscheinlich, dass eine linksgerichtete Gruppierung, die sich als antifaschistisch bezeichnet, den Zusatz «internationalsozialistisch» wähle.
Der Hintergrund der Illustration
Die in dem Post verwendete Illustration gehört zu einem Plakat für eine Demonstration der Anatolian Youth Association (AGD) im Jahr 2013 gegen Weihnachts- und Neujahrsfeiern. Die AGD, die der konservativen und religiös orientierten Saadet Partisi (SP, dt. Partei der Glückseligkeit) nahesteht, protestierte damals auf dem Beyazit-Platz nahe der Universität Istanbul. Dort verkündete die Gruppe unter anderem, dass Bräuche wie Weihnachten und Silvester zu «kultureller Zerstörung und Identitätskrisen in der Gesellschaft» führten.
Konservative Lager in der Türkei sprechen sich immer wieder gegen Weihnachtsfeierlichkeiten aus, da dies angeblich nicht mit dem Islam vereinbar sei, teilte die türkische Faktencheck-Organisation Teyit der dpa per Mail mit. So hat beispielsweise auch das Präsidium für Religionsangelegenheiten Diyanet İşleri Başkanlığı (DIB) in der offiziellen Freitagspredigt vom 23. Dezember 2022 (Download-Link) Silvester als «kulturelle Entfremdung» bezeichnet und angemahnt, keine Bräuche anzunehmen, die nicht mit der Geschichte und Kultur des Islam einhergingen.
(Stand: 3.1.2022)
Links
Facebook-Post im Original (archiviert)
Urteil des Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen (archiviert)
Bericht der Zeitung Agos zur Demonstration (archiviert)
Saadet Partisi bei der Bundeszentrale für politische Bildung (archiviert)
Bericht von Oda TV über die Demonstration (archiviert)
Offizielle Freitagspredigt des DIB vom 23. 12. 2022 (Download-Link)
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