Falsche Berechnung

Deutschland trägt überproportional zum Klimawandel bei

20.12.2022, 19:10 (CET)

Alles halb so schlimm? In einem Sharepic auf Facebook werden verschiedene Prozentzahlen, etwa zum Anteil des Kohlendioxids (CO2) in der Luft, miteinander verrechnet. Das Ergebnis: Deutschland beeinflusse «mit nur 0,0004712% das CO2 in der Luft». Stimmt das?

Bewertung

Die Angabe ist falsch, denn der aufgestellten Rechnung liegt offenbar ein Denkfehler zugrunde. Einige der verwendeten Zahlen sind zudem veraltet und wurden fehlerhaft multipliziert. Deutschland trägt durch seinen CO2-Ausstoß gemessen an der Bevölkerungszahl deutlich stärker als andere Länder zum Klimawandel bei.

Fakten

Die verwendeten Werte sind zum Teil veraltet. So zeigen aktuelle Messungen, dass der Anteil des CO2 in der Luft bei etwa 0,04 Prozent und nicht mehr bei 0,038 Prozent liegt. Laut der Weltwetterorganisation (WMO) ist der Anteil des CO2 seit der Industrialisierung stetig gestiegen. Lag er bis dahin konstant bei knapp 280ppm (parts per million), so stieg er bis 2021 auf etwa 415ppm an. Auf eine Million Luftmoleküle kamen also 415 CO2-Moleküle.

Die Angabe von einem auf menschliche Aktivität zurückzuführenden Anteil von 4 Prozent an allen CO2-Emissionen stimmt grob. Allerdings dürfte der Wert inzwischen etwas über 4 Prozent liegen. Zwischen 2011 und 2020 waren bei einem jährlichen Gesamt-CO2-Ausstoß von rund 847 Gigatonnen im Schnitt etwa 38,8 Gigatonnen CO2 menschengemacht.

Der Anteil Deutschlands am von Menschen verursachten CO2-Ausstoß wird mit 3,1 Prozent angegeben. Tatsächlich liegt er inzwischen bei 1,77 Prozent. Dies entspricht etwa 637 Millionen Tonnen CO2 und ist immer noch der achtgrößte Einzelanteil unter den Ländern der Welt. Er ist auch deutlich höher als der Anteil der deutschen Bevölkerung an der Weltbevölkerung, der bei rund 1,08 Prozent liegt.

Denkfehler bei der Berechnung

Ein weiteres Problem mit der Rechnung im Sharepic: 3,1 Prozent von 0,00152 Prozent sind nicht wie angegeben 0,0004712 Prozent, sondern nur 0,00004712 Prozent.

Außerdem ist das Ergebnis falsch formuliert. Auch wenn man davon ausgehen würde, dass die verwendeten Werte noch zuträfen und die Rechnung korrekt wäre, würde Deutschland nicht «mit nur 0,0004712% das CO2 in der Luft» beeinflussen. Denn tatsächlich soll mit der Berechnung der Anteil an der Luft ermittelt werden, der aus dem CO2 besteht, das von den Menschen in Deutschland verursacht wurde - nicht aber der menschengemachte Anteil Deutschlands am CO2 in der Luft.

Um diesen Anteil zu berechnen, muss einer der Faktoren ausgelassen werden: der Anteil des CO2 in der Luft. Verwendet man die im Sharepic genannten Zahlen, muss die Rechnung lauten: 4 Prozent mal 3,1 Prozent. Das ergibt 0,124 Prozent. Verwendet man die aktuelle Zahl (Anteil Deutschlands an den menschengemachten CO2-Emissionen von 1,77 Prozent), so lautet das Ergebnis: Der menschengemachte Anteil Deutschlands am CO2 in der Luft beträgt 0,0708 Prozent.

Menschengemachtes CO2 heizt Klima auf

Auch wenn der Anteil des (menschengemachten) CO2 am Gasgemisch in der Atmosphäre klein erscheinen mag, hat er große Auswirkungen auf das Klima. Das liegt auch daran, dass die Natur das von ihr ausgestoßene CO2 wieder aufnimmt - unter anderem durch Photosynthese und die Ozeane. Die Natur kann sogar eine positive Bilanz hinsichtlich des Kohlenstoffkreislaufs haben, das heißt, sie kann mehr CO2 aufnehmen, als sie ausstößt.

Doch neben diesem natürlichen Kohlenstoffkreislauf gibt es noch das durch menschliche Aktivität, zum Beispiel das Verbrennen von Kohle und Öl, ausgestoßene CO2. Dieses wird zum allergrößten Teil nicht wieder gebunden. Es erhöht somit die CO2-Konzentration in der Atmosphäre und sorgt zusammen mit weiteren Gasen für eine Erhitzung des Planeten - der sogenannte Treibhauseffekt. Dass dieser auf menschliche Aktivität zurückgeht, ist wissenschaftlich erwiesen. Derzeit beträgt der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter rund 1,15 Grad.

Klimawissenschaftler bezweifeln inzwischen, dass das im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgelegte Ziel einer Begrenzung des Anstiegs auf maximal 1,5 Grad noch erreichbar ist. Grundsätzlich gilt: Je stärker der Temperaturanstieg, desto größer und unkalkulierbarer werden die Auswirkungen sein. Deutschland hat die sich selbst gestellten Klimaziele zuletzt verfehlt. Die bisherigen CO2-Einsparungen sind demnach nicht ausreichend.

(Stand: 19.12.2022)

Links

Aktueller Klimabericht der Weltwetterorganisation (archiviert)

Angaben des Global Carbon Project zum CO2-Ausstoß (archiviert)

Angaben der EU-Kommission zum deutschen CO2-Ausstoß (archiviert)

Ländervergleich CO2-Ausstoß (archiviert)

Bevölkerunsgzahlen laut Internationalem Währungsfonds (archiviert)

Informationen zum Kohlenstoffkreislauf (archiviert)

Max-Planck-Gesellschaft über Kohlenstoffkreislauf (archiviert)

Erklärvideo des Umweltbundesamts zum Treibhauseffekt (archiviert)

Umweltbundesamt zum jüngsten IPCC-Bericht (13.5.2022) (archiviert)

Klimaforscher Latif zum 1,5-Grad-Ziel (21.11.2022) (archiviert)

dpa-Meldung zu Klimazielen der Bundesregierung (15.3.2022) (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

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