Gestohlener Dienstwagen
Story über früheren ukrainischen Justizminister ist jahrealt
30.11.2022, 17:37 (CET)
Ausgerechnet der ukrainische Justizminister soll einen in Deutschland gestohlenen Mercedes als Dienstwagen nutzen. So macht es im Herbst 2022 in sozialen Medien die Runde. Auch Politiker wie der bayerische AfD-Landeschef Stephan Protschka oder die AfD Hannover tragen zur Verbreitung der Geschichte bei. Dabei hat sie mit der aktuellen deutschen Hilfe für das von Russland angegriffene Land nichts zu tun, der Minister gehörte einer anderen Regierung an.
Bewertung
Die Ereignisse trugen sich vor mehr als zehn Jahren zu. Alexander Lawrinowitsch, um den es geht, war Justizminister im Kabinett des früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch, einem engen Verbündeten Russlands. Er ist schon lange nicht mehr im Amt.
Fakten
«Hoppla - Ukrainischer Minister im gestohlenen Mercedes unterwegs», heißt es Ende 2011 auf der Seite «auto.de». Über den Dienstwagen von Justizminister Alexander Lawrinowitsch berichtet seinerzeit das Fahrzeug-Portal wie Wochen zuvor bereits andere Medien, etwa die «Ukrainskaja Prawda» aus Kiew oder die Deutsche Presse-Agentur, «Der Spiegel» und die «Süddeutsche Zeitung».
Den Medienberichten zufolge wurde der Mercedes GL 420 im Januar 2010 in Deutschland als gestohlen gemeldet. Demnach konnten solche Fahrzeuge nach seinerzeit gültigem Recht in ukrainischen Staatsbesitz übernommen werden. Nach damaligen «Spiegel»-Informationen hatten die Fahrzeughalter selbst den geleasten Mercedes in die Ukraine geschmuggelt und als gestohlen gemeldet, sie seien verurteilt worden.
Ein Screenshot des «auto.de»-Artikels sowie Links auf den Artikel werden im Herbst 2022 in sozialen Medien verbreitet und in Zusammenhang mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine und die deutsche Unterstützung für das Land gebracht. Doch Lawrinowitsch ist seit Juli 2013 nicht mehr Justizminister. Er war Mitglied des Kabinetts von Präsident Viktor Janukowitsch. Der moskautreue Politiker führte das osteuropäische Land als Staatschef zwischen 2010 und 2014, bevor ihn das ukrainische Parlament nach seiner Flucht im Februar 2014 für abgesetzt erklärte.
Der aktuelle Staatschef Wolodymyr Selenskyj kam im Mai 2019 an die Macht. Der derzeitige ukrainische Justizminister heißt seit August 2019 Denys Maljuska.
Das Land hat aber durchaus noch mit Korruption zu kämpfen. Ende November etwa billigte das EU-Parlament zwar Pläne für neue Milliardenkredite an die Ukraine. Doch das Darlehen ist an Bedingungen geknüpft - etwa dass stärker gegen Korruption vorgegangen wird und Justizreformen angestoßen werden.
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International rangiert die Ukraine im Jahr 2021 auf Platz 122 von 180. In Europa steht nur noch ein Land schlechter da: Russland auf Platz 136.
(Stand: 29.11.2022)
Links
«auto.de»-Artikel von 2011 über gestohlenen Mercedes (archiviert)
«Ukrainskaja Prawda»-Artikel über gestohlenen Mercedes (archiviert)
dpa-Artikel über gestohlenen Mercedes (archiviert)
«Spiegel»-Artikel über gestohlenen Mercedes (archiviert)
«Süddeutsche»-Artikel über gestohlenen Mercedes (archiviert)
Interfax-Bericht über Wechsel im ukrainischen Justizministerium im Jahr 2013 (archiviert)
dpa-Artikel über Absetzung Janukowitschs (archiviert)
Ukrainische Präsidenten-Homepage über Selenskyj (archiviert)
Ukrainisches Justizministerium über Maljuska (archivivert)
EU-Parlament über Milliardenhilfen für die Ukraine (archiviert)
Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International 2021 (archiviert)
AfD-Politiker Protschka verbreitet jahrealten Link (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.