DDR-Opposition

Foto von 1988 zeigt sowjetischen Panzer in Schwerin

22.11.2022, 15:21 (CET)

Ein Foto soll eine Protestaktion an einem sowjetischen Denkmal in Zossen zeigen. Doch das Monument stand anderswo, und die Aktion hat einen überraschenden geschichtlichen Hintergrund.

Politische Aktionen an Kriegerdenkmälern sind keine Seltenheit. Ein aktuell auf Facebook geteiltes Foto zeigt einen Panzer, auf den jemand «Befreit uns nochmal!» geschrieben hat. Laut Überschrift wurde das Bild bei einem Denkmal in Zossen, südlich von Berlin, aufgenommen. Was hat es mit der Protestaktion auf sich und wer soll hier wen befreien?

Bewertung

Das Foto zeigt einen Schriftzug, der 1988 an einem sowjetischen Panzermonument in Schwerin angebracht wurde, um gegen das damalige DDR-Regime zu protestieren. Heute steht der Panzer vermutlich noch in einem Vorgarten in Bad Oldesloe.

Fakten

Eine Bildersuche zeigt: Das Foto im Post wird schon seit Jahren im Internet geteilt. In russischen Online-Foren finden sich zum Beispiel Beiträge von 2014. Die Behauptung, es handle sich bei dem Panzer um ein «Russendenkmal» in Zossen, geht wahrscheinlich auf einen Post von 2018 zurück. Darin schrieb der Autor «Heute gesehen in Zossen am Russendenkmal».

Dass diese Behauptung nicht ganz stimmen kann, zeigt sich schon daran, dass im Bild das Wasserzeichen der russischen Online-Community Odnoklassniki zu sehen ist. Das Wasserzeichen im Bild zeigt ein Logo, das von Odnoklassniki bis 2011 verwendet wurde.

Sucht man nach dem Slogan «Befreit uns noch mal!» auf Google, stößt man schnell auf einen Artikel der Schweriner Volkszeitung. Darin wird erklärt, dass der sowjetische Panzer des Typs T34 als «Mahnmal an der B 104 am Ortseingang Schwerins» gestanden habe. Oppositionelle hätten 1988 die Losung angebracht.

Auch im Buch «Strafjustiz und DDR-Unrecht. Band 5: Rechtsbeugung. Teilband 1, Part 1» findet sich der Vorfall in einem Auszug aus Gerichtsdokumenten: «In der Nacht vom 8. zum 9. August brachten die Angeklagten W. und R. an dem Panzermonument in Schwerin-Schelfwerder die Texte "Befreit uns nochmal", "Perestroika" und "Frei" an».

Das Stadtarchiv Schwerin erwähnt die Aktion ebenfalls in einem Facebook-Post, mit dem Hinweis, dass es im Buch «Erinnerungen für die Zukunft» mehr Informationen dazu gebe.

Tatsächlich schildert dort einer der Akteure den Vorfall und erklärt die Motivation dahinter. «Wir haben uns gleich den Farbtopf gegriffen und den Pinsel und haben ihnen da auf den Panzer eine, nein, zwei Parolen gemalt: "Perestroika" und "Befreit uns noch mal!". "Perestroika" - das kam von Michail Gorbatschow. "Befreit uns noch mal!" - das haben wir eigentlich auf den falschen Panzer geschrieben, weil ursprünglich die Amerikaner Schwerin vom Faschismus befreit hatten; aber es stand da nun mal kein amerikanischer, sondern ein russischer Panzer.»

Laut Buch wurden die zwei Männer durch die DDR-Behörden für ihre Aktion zu achtzehn Monaten Gefängnis verurteilt.

Im Buch findet sich auch das Foto des Panzers, mit dem Label «BStU» (Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik). Das Originalbild stammt demnach aus Stasi-Unterlagen.

Laut dem Artikel der Schweriner Volkszeitung sollte der Panzer zerlegt werden, nachdem er 2008 an ein Entsorgungsunternehmen in Bad Oldesloe verkauft wurde. In Satellitenaufnahmen von 2021 und einem Foto von 2014 ist der Panzer aber noch auf dem Gelände der Firma zu sehen.

(Stand: 22.11.2022)

Links

Beitrag in russischem Forum (archiviert)

Facebook-Post von 2018 (archiviert)

1000 Logos Eintrag zu Odnoklassniki (archiviert)

SVZ Artikel (archiviert)

Google Books Eintrag zu Strafjustizbuch (archiviert)

Facebook Post vom Stadtarchiv Schwerin (archiviert)

Google Books Eintrag zu «Erinnerungen für die Zukunft» (archiviert)

Google Maps Satellitenbild (archiviert)

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