Immobilien in der Schweiz

Vorwurf gegen Ukrainer beruht auf gefälschten Dokumenten

24.11.2022, 08:31 (CET)

Eine rechte Aktivistin verbreitet im US-Fernsehen schwere Vorwürfe gegen ukrainische Beamte. Es geht um Korruption und Veruntreuung. Doch die Behauptungen basieren auf gefälschten Grundbuchauszügen.

Die Vorwürfe sind schwerwiegend und zielen offenbar darauf ab, die amerikanische Bevölkerung gegen die Ukraine aufzuhetzen: Im Netz verbreiten Nutzer einen Video-Ausschnitt aus der Fox-News-Sendung «Tucker Carlson Tonight». In dem Video ist ein Gespräch zwischen Moderator Tucker Carlson und einer Frau namens Candace Owens zu sehen. Die Frau behauptet, dass ukrainische Offizielle mit dem Geld amerikanischer Steuerzahler teure Immobilien in der Schweiz gekauft haben. Im Netz verbreiten User diese Behauptung weiter und teilen dazu den Ausschnitt aus der Sendung.

Bewertung

Die Behauptungen sind falsch. Es gibt keine Hinweise darauf, dass ukrainische Beamte mit dem Geld aus US-Finanzhilfen teure Immobilien in der Schweiz gekauft haben. Die Behauptungen basieren auf gefälschten Grundbuchauszügen und kursieren im Netz mindestens seit Juni 2022.

Fakten

Der Sender Fox News hat den Video-Ausschnitt aus der «Tucker Carlson Tonight»-Show mit Candace Owens am 10. November 2022 auf seiner Webseite veröffentlicht. In der Aufnahme geht es um finanzielle US-Hilfen für die Ukraine. Nach Angaben des Ukraine-Support-Trackers des Kieler Instituts für Weltwirtschaft hat die US-Regierung bis Oktober 2022 tatsächlich Hilfsleistungen im Wert von insgesamt über 50 Milliarden Euro an die Ukraine zugesagt - dazu zählen neben den finanziellen Hilfen auch militärische sowie humanitäre Unterstützungen.

Owens behauptet in der Show: «Wollen Sie wissen, wo das ganze Steuergeld hinfließt? Ich war ein paar Wochen in Europa. Die Leute sagen, dass ukrainische Beamte in der Schweiz Immobilien kaufen.» Auf Nachfrage von Moderator Carlson, wieso das nicht der aktuell «größte Skandal» ist, wird sie deutlicher: Russische Beamte hätten ihre Liegenschaften in der Schweiz leer stehend zurückgelassen. Dann seien ukrainische Beamte mit Lamborghinis vorgefahren und hätten die Häuser aufgekauft. «Das ist zu 100 Prozent wahr», versichert Owens - konkrete Belege oder Quellen liefert sie in der Sendung aber nicht.

Kursierende Dokumente enthalten Fehler und falsche Nummern

Die Behauptung über angebliche Immobilienkäufe ukrainischer Beamte in der Schweiz sind nicht neu. Sie basiert auf gefälschten Dokumenten, wie aus einem Bericht der Zeitung «Berner Oberländer» vom Juni 2022 hervorgeht: Im Netz kursieren angebliche Auszüge des Grundbuchamts Oberland für drei Liegenschaften in der Gemeinde Saanen. Demnach hätten die ukrainischen Politikerinnen und Politiker Dmytro Rasumkow, Ljudmyla Denissowa und Alexander Daniljuk vermeintliche Anwesen mit Werten zwischen knapp neun bis zehn Millionen Franken erworben.

Doch die angeblichen Grundbuchauszüge sind gefälscht, wie der geschäftsleitende Grundbuchverwalter des Grundbuchamts Oberland, Adrian Mühlematter, auf dpa-Anfrage bestätigte. So stimmen etwa die Grundstücksnummern aus dem kantonalen Grundbuch nicht mit den Adressen überein. Die Dokumente enthalten formelle Fehler, bei den aufgeführten Identifikationsnummern der Grundstücke fehlen Stellen und eine angegebene Dienststellennummer wird seit Jahren nicht mehr verwendet. Zudem steht als Seitenangabe auf den drei vermeintlichen Auszügen «1 von 5». Doch laut dem Grundbuchamt enthalten nur Auszüge von landwirtschaftlichen Grundstücken so viele Seiten.

Wer ist die Frau aus dem Video?

Obwohl auch amerikanische Faktenchecker von «Politifact» über die gefälschten Dokumente berichteten, verbreitet Owens die Behauptung weiter. Für «Politifact» ist Candace Owens keine Unbekannte. Mehrfach haben sich Behauptungen der rechten Aktivistin bei einer Überprüfung als falsch erwiesen. Owens, die unter anderem als konservative politische Kommentatorin im US-Fernsehen auftritt, hatte in der Vergangenheit mit einer umstrittenen Nationalismus-Äußerung über Adolf Hitler für Aufsehen gesorgt. Zudem nannte der rechtsextreme Christchurch-Attentäter, der bei einem Angriff auf zwei Moscheen in Neuseeland mehrere Menschen tötete, in seinem Manifest Owens als Grund für seine Radikalisierung.

Im Zuge des Ukraine-Krieges verbreiten derweil immer wieder prorussische User Desinformationen, die darauf abzielen, die Unterstützung in der Bevölkerung für die Ukraine zu schwächen. Dabei spielen auch immer wieder Korruptionsvorwürfe eine Rolle, wie frühere dpa-Faktenchecks zeigen.

(Stand: 23.11.2022)

Links

Fox-News-Video aus der Sendung «Tucker Carlson Tonight» (archiviert / archiviertes Video)

Ukraine-Support-Tracker des IfW Kiel (archiviert)

Bericht des «Berner Oberländer» über gefälschte Grundbuchauszüge (archiviert)

Internetseite mit den gefälschten Dokumenten (archiviert)

Faktencheck von «Politifact» (archiviert)

«Politifact» über Candace Owens (archiviert)

«Business Insider»-Bericht über Nationalismus-Äußerung (archiviert)

«New York Post»-Artikel über Manifest des Christchurch-Attentäters (archiviert)

dpa-Faktencheck zu angeblicher Korruption mit EU-Hilfen für Ukraine

Tweet mit Video (archiviert / archiviertes Video)

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