Krieg in der Ukraine

Selenskyj ist von «Präventivschlag»-Formulierung abgerückt

3.11.2022, 15:33 (CET)

Aus einer Äußerung des ukrainischen Präsidenten zu Atomwaffen, Russland und der Nato zieht manch einer Schlüsse, die nicht haltbar sind.

Seit mehr als acht Monaten führt Russland Krieg in der Ukraine. Präsident Wladimir Putin hat dabei immer wieder auf sein Atomwaffenarsenal verwiesen. Doch in sozialen Medien werden dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Aggressionen zugeschrieben «Selenskij fodert NATO auf, offenen Krieg gegen Russland zu beginnen», heißt es etwa auf einem Sharepic auf Facebook. Der ukrainische Präsident wolle angeblich einen atomaren Erstschlag der Nato. Doch das hat dieser nicht gesagt.

Bewertung

Unvollständig und teilweise falsch wiedergegeben. Kurz nach einem Vortrag Selenskyjs, in dem es darum ging, präventiv einen Einsatz von Atomwaffen durch Russland unmöglich zu machen, relativierte der ukrainische Präsident seine Aussage. Es gehe nicht um Angriffe, die Ukraine greife kein anderes Territorium an.

Fakten

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am 6. Oktober beim australischen Lowy Institute in Sydney aufgetreten, einer Denkfabrik für Außenpolitik. In seinem Videovortrag forderte Selenskyj, einen russischen Atomwaffeneinsatz entschieden zu verhindern. «Was soll die Nato tun? Den Einsatz von Atomwaffen durch Russland unmöglich machen. Wichtig ist aber - ich wende mich wie vor dem 24. (Februar) deshalb an die Weltgemeinschaft - dass es Präventivschläge sind, damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie sie anwenden», sagte er.

In der englischen Simultan-Übersetzung sagt der Dolmetscher allerdings bei Minute 25:29 sowohl Präventivschläge als auch präventive Handlungen («preventive strikes», «preventive action»). Damit ist bereits hier nicht eindeutig, ob Selenskyj tatsächlich Angriffe meinte.

Seine Aussage rief Kritik hervor. Der Kreml in Moskau bezeichnete sie als «Aufruf zum Beginn des Dritten Weltkriegs». Später betonte ein Sprecher Selenskyjs, der ukrainische Präsident sei falsch verstanden worden: Er habe lediglich sagen wollen, vor dem 24. Februar - dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine - wären Präventivmaßnahmen nötig gewesen, um den Krieg zu verhindern.

Einen Tag später, am 7. Oktober, erläuterte der Präsident selbst seine Aussage in einem Interview mit der BBC. «Man muss präventive Tritte ausführen, keine Angriffe. Wir sind keine Terroristen, wir greifen kein anderes Territorium an», sagte Selenskyj.

(Stand: 3.11.2022)

Links

Auftritt von Wolodymyr Selenskyj beim Lowy Institute (archiviert)

Youtube-Video von der Veranstaltung (archiviert, Video archiviert)

BBC-Interview mit Wolodymyr Selenskyj (archiviert)

dpa-Bericht über die Äußerungen von Selenskyj via «ntv.de» (archiviert)

dpa-Bericht über die Relativierung von Selenskyj via «rnd.de» (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

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