Bericht aus Großbritannien

Geimpfte mit milderen Verläufen bilden weniger Antikörper

27.10.2022, 12:24 (CEST)

Falschinformationen zur Corona-Impfung halten sich hartnäckig im Netz. Erneut kursieren irreführende Behauptungen über einen Situationsbericht der britischen Gesundheitsbehörde.

In den sozialen Netzwerken verbreiten Impfgegner nach wie vor Desinformationen zu den Covid-19-Impfungen. Auf Facebook teilen Nutzer nun einen Text mit der Behauptung, dass die Impfstoffe angeblich das Immunsystem von doppelt geimpften Personen geschädigt hätten. Demnach wiesen Geimpfte nach einer Infektion weniger Antikörper vor als Ungeimpfte. Geimpfte seien deshalb schlechter vor Corona geschützt. Das habe die britische Regierung eingeräumt, heißt es in den Beiträgen. Sie berufen sich auf die Seite 23 eines «COVID-19 Vaccine Surveillance Report» des britischen Gesundheitsministeriums, der in der 42. Kalenderwoche erschienen sein soll.

Bewertung

Die Behauptung ist alt, falsch und wurde längst widerlegt: Eine Corona-Impfung zerstört oder beschädigt das Immunsystem keineswegs. Zwar bilden Geimpfte bei einer Infektion mit dem Coronavirus tatsächlich im Durchschnitt weniger Antikörper gegen ein bestimmtes Protein als Ungeimpfte. Allerdings liegt das der britischen Gesundheitsbehörde zufolge daran, dass Covid-Erkrankungen bei Geimpften meist milder und kürzer verlaufen. Der Report, auf den die aktuellen Facebook-Beiträge verweisen, stammt zudem aus dem Oktober 2021.

Fakten

Im Großteil der entsprechenden Facebook-Post wird direkt auf den angesprochenen «COVID-19 vaccine surveillance report» der britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) verlinkt. Dabei handelt es sich um einen regelmäßig erscheinenden Situationsbericht zur Corona-Lage in Großbritannien.

Der in den Posts verlinkte Bericht stammt tatsächlich von der Behörde und bezieht sich auf eine 42. Kalenderwoche. Allerdings: Das Dokument ist nicht aktuell. Wie aus dem Papier hervorgeht, wurde der Report am 21. Oktober 2021 veröffentlicht. Er bezieht sich also auf die 42. Kalenderwoche des Jahres 2021 (18. bis 24. Oktober 2021), nicht auf die des Jahres 2022.

Die Behauptungen in den Facebook-Posts sind nicht neu, sondern sie kursieren seit Längerem im Netz: Mehrere Blogbeiträge hatten vor einiger Zeit auf Basis des UKHSA-Berichts darauf geschlossen, dass geimpfte Menschen «weitaus anfälliger für etwaige Mutationen des Spike-Proteins [sind], selbst wenn sie sich bereits infiziert haben und wieder gesund geworden sind». Das führen sie darauf zurück, dass angeblich insbesondere geimpfte Menschen keine Antikörper gegen ein bestimmtes Protein - das sogenannte Nukleokapsid-Protein - zu produzieren scheinen und daher das Immunsystem geschädigt worden sei. Auch in den neueren Facebook-Beiträgen ist dies zu lesen.

Das stimmt jedoch nicht. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat sich bereits in einem ausführlichen Faktencheck mit dem Bericht der britischen Behörde beschäftigt. Geimpfte bilden demnach im Durchschnitt nur deshalb weniger Antikörper, weil Corona-Infektionen bei ihnen milder und kürzer verlaufen.

Im Fokus der irreführenden Blog-Artikel und Facebook-Posts steht eine der Schlussfolgerungen auf Seite 23 des UKHSA-Berichts. Dort heißt es: Jüngste Beobachtungen aus Überwachungsdaten zeigten, «dass die N-Antikörperspiegel bei Personen, die sich nach zwei Impfdosen infizieren, offenbar niedriger sind» als bei Ungeimpften.

Dieses Fazit ist beinah wortgleich im UKHSA-Bericht von Kalenderwoche 51 des Jahres 2021 erneut zu finden (S. 46). Darin schickt die Behörde zudem eine Erklärung hinterher: «Diese geringeren N-Antikörperreaktionen bei Personen mit Durchbruchsinfektionen (nach der Impfung) im Vergleich zur Primärinfektion spiegeln wahrscheinlich die kürzeren und milderen Infektionen bei diesen Patienten wider.» N-Antikörper sind dabei die Antikörper, die das Immunsystem bei einer Corona-Infektion gegen das Nukleokapsid-Protein bildet.

Diese werden nur nach einer natürlichen Infektion, nicht jedoch nach einer Impfung ausgebildet. Denn anders als beim Spike-Protein ist das Immunsystem bei Geimpften nicht auf dieses Nukleokapsid-Protein vorbereitet. Sowohl Geimpfte als auch Ungeimpfte reagieren aber darauf. Die Reaktion, also die Bildung von N-Antikörpern, fällt jedoch stärker bei schwereren Krankheitsverläufen aus - die häufiger bei Ungeimpften auftreten, so das Ergebnis aus dem früheren dpa-Faktencheck.

(Stand: 27.10.2022)

Links

Wochenberichte der UK Health Security Agency (archiviert)

UKHSA-Wochenbericht aus Kalenderwoche 42 (archiviert)

UKHSA-Wochenbericht aus Kalenderwoche 51 (archiviert)

RKI über serotologische Untersuchungen (archiviert)

dpa-Faktencheck «Britischer Gesundheitsbericht: Weniger Antikörper nach milden Covid-Verläufen»

Facebook-Post (archiviert)

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