Falsche Zahlen in Blogbeitrag

Verbindungen und fahrende Flixbusse sind nicht dasselbe

25.10.2022, 20:23 (CEST)

Aufgrund des Krieges flüchten Ukrainer auf verschiedenen Routen in EU-Länder. Ein Blog stellt nun einen Zusammenhang von Geflüchteten mit Fahrgastzahlen von Flixbus her. Doch die Zahlen sind falsch.

Das Unternehmen Flixbus bietet Fernreisen mit dem Bus zu diversen Zielorten in Europa an - auch von Deutschland in die Ukraine. In einem Blogbeitrag über Ukrainerinnen und Ukrainern auf der Flucht vor dem Krieg, der auf mehreren Webseiten verbreitet wird, spielt in einem Absatz die Zahl der täglichen Flixbus-Fahrten sowie der Fahrgastzahlen eine Rolle.

So wird in dem Beitrag behauptet, dass allein von Berlin aus «täglich weit über 50 Busse» des Unternehmens in Richtung der ukrainischen Hauptstadt Kiew starten würden. Von Hamburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München seien es jeweils ungefähr zehn bis fünfzehn Busse, behauptet der Autor. Da das Unternehmen aber nicht nur Kiew anfährt, sondern auch weitere Ziele in der Ukraine anbietet, schätzt er die Gesamtzahl der täglich von Deutschland in die Ukraine abfahrenden Flixbusse auf mindestens 120. «Das sind pro Tag etwa 6000 Menschen, im Monat um die 180.000 Menschen», schreibt er zu den Fahrgastzahlen. Doch ist die Rechnung plausibel?

Bewertung

Der Absatz zu den Flixbus-Zahlen ist falsch, zum Teil fehlt wichtiger Kontext. Wie das Unternehmen auf dpa-Anfrage erklärte, liegen die tatsächlichen Zahlen zu den Fahrgästen und der täglich von Deutschland in die Ukraine abfahrenden Busse teils deutlich unter den Angaben aus dem Blogbeitrag. Ein wesentlicher Grund dafür sind die vielen Umstiegsmöglichkeiten im eng vernetzten Fahrplan von Flixbus. Hinzu kommt, dass Direktfahrten meist über mehrere Großstädte führen.

Fakten

Seit dem Frühjahr spürt Flixbus nach eigenen Angaben eine hohe Nachfrage bei Verbindungen zwischen Deutschland und der Ukraine. Auf der Webseite, auf der man sich die angebotenen Fahrzeiten für bestimmte Orte anzeigen lassen kann, ist das mitunter sichtbar: So sind derzeit beispielsweise viele Verbindungen von Berlin nach Kiew schon mehrere Tage im Voraus ausgebucht. Für einige Verbindungen gibt es aber auch am Tag der Fahrt noch vereinzelt freie Plätze.

Verbindungen können nicht eins zu eins in Busse umgerechnet werden

Allerdings handelt es sich nicht bei jeder angezeigten Verbindung auch automatisch um einen einzelnen Bus, der auf den Straßen unterwegs ist. Einen Hinweis darauf liefern die angegebenen Abfahrt- und Ankunftszeiten. Ein Beispiel:

Für Berlin werden für den 1. November 2022 (Dienstag) zwischen 11.40 Uhr und 13.15 Uhr vier Abfahrten von vier unterschiedlichen Haltestellen angezeigt. Eine Verbindung startet um 11.40 Uhr am Alexanderplatz, eine um 12.25 Uhr am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER), eine weitere folgt um 13 Uhr am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) und die vierte Verbindung beginnt um 13.15 Uhr am Bahnhof Südkreuz. Alle vier Verbindungen aus Berlin treffen laut Plan einen Tag später (2. November 2022) zur selben Uhrzeit um 14.10 Uhr am Busbahnhof Kiew ein.

Schaut man sich diese vier Verbindungen jedoch genauer an, fällt auf, dass es sich nicht um vier einzelne Busse handeln kann. Denn der Bus, der um 11.40 Uhr am Alexanderplatz abfährt, macht gegen 12.20 Uhr einen Zwischenstopp am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER). Zudem hält der Bus, der um 13 Uhr am ZOB abfährt, um 13.10 Uhr am Bahnhof Südkreuz. Auch die nächsten Stopps im weiteren Fahrtverlauf stimmen überein. Es handelt sich bei den vier angezeigten Verbindungen also nicht um vier einzelne Busse, sondern zunächst um zwei Busse, die in Berlin mehrere Haltestellen anfahren.

Aber Achtung: Auch diese zwei Busse fahren nicht direkt nach Kiew. Aus der Flixbus-Homepage geht hervor, dass es sich jeweils um Verbindungen mit Umstieg handelt. So müssen die Gäste mit Reiseziel Kiew aus dem Bus, der am Alexanderplatz losfuhr, um 14.35 Uhr in Dresden aussteigen. Die Gäste der Fahrt vom Berliner ZOB steigen etwas später gegen 15.40 Uhr ebenfalls in Dresden aus. Denn die Folgeverbindung ist für die Gäste aus beiden Bussen nun dieselbe: Um 16.30 Uhr fährt ein Bus in Dresden ab, der dann am Folgetag um 14.10 Uhr in Kiew ankommt. Das heißt also, dass in diesem Fall nur ein Bus von Deutschland (Dresden) in die Ukraine (Kiew) fährt - und damit maximal eine Busladung voll mit Reisenden.

Flixbus bietet mehr Verbindungen mit Umstieg als Direktfahren an

Auf dpa-Anfrage bestätigt eine Flixbus-Sprecherin, dass die tatsächliche Zahl der täglich fahrenden Busse wegen zahlreicher Umstiegeverbindungen und dem eng vernetzten Fahrplan verglichen mit den angezeigten Verbindungen auf der Website eher gering ist. Wie man bereits auf der Webseite erkennt, bietet Flixbus etwa für die Strecke Berlin - Kiew mehr Verbindungen mit Umstieg als Direktfahrten an. «In unserem Angebot gibt es aktuell einen Bus auf der Strecke Berlin - Kiew, der täglich und direkt fährt. Ab Hamburg gibt es gerade keine Direktfahrten», so die Sprecherin. Zudem halten einige Busse auf ihrer Route gleich in mehreren Großstädten. So fahren laut dem Unternehmen etwa die Direktbusse ab Frankfurt auch über Köln oder etwa die Direktbusse von Stuttgart über München.

Entsprechend ist also die Zahl der möglichen Verbindungen am Ende deutlich höher als die Zahl der real fahrenden Busse. In der Folge sind damit auch die Fahrgastzahlen in der Realität laut der Sprecherin «signifikant geringer» als in dem Blogbeitrag behauptet, der von mindestens 120 täglich fahrenden Bussen ausgeht. Denn egal, ob die Gäste mit Reiseziel Kiew bereits alle in Stuttgart oder später in München zusteigen: Am Ende sind die Plätze in dem Bus begrenzt.

Wie viele Busse des Fernreise-Anbieters insgesamt jeden Tag von Deutschland aus in die Ukraine fahren und wie hoch die aktuellen Fahrgastzahlen sind, dazu machte Flixbus keine Angaben.

(Stand: 25.10.2022)

Links

Blogbeitrag 1 (archiviert)

Blogbeitrag 2 (archiviert)

Freie Plätze auf der Strecke Berlin - Kiew am 25. Oktober 2022 (archiviert)

Verbindungen Berlin - Kiew am 1. November 2022 (archiviert)

Flixbus-Haltestellen in Berlin (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.