Keine offizielle Karte

Angebliche neue Landesgrenzen der Ukraine sind ungültig

11.10.2022, 17:41 (CEST)

Im Netz kursiert eine Karte, auf der vier ostukrainische Regionen Russland zugerechnet werden. Aber können Grenzen einfach neu gezogen werden? Nein, denn dafür gibt es bestimmte Bedingungen.

Russland Präsident Wladimir Putin hat am Mittwoch, 5. Oktober, Dokumente unterzeichnet, die eine Annexion der vier ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja ermöglichen sollen. Einigen Posts in den sozialen Medien zufolge soll das nun auch «offiziell» sein. Dazu wird eine «neue Karte der Ukraine» geteilt, auf der die vier südöstlichen Regionen bereits in der Farbe Russlands eingezeichnet sind.

Bewertung

Die auf der Karte dargestellten Grenzen sind nicht offiziell. Sie werden international nicht anerkannt. Selbst die russische Regierung hat diese Grenzen noch nicht definiert.

Fakten

Die Karte und die dazugehörige Meldung stammen aus dem Telegram-Kanal «Neues aus Russland» von Alina Lipp. Sie bezeichnet sich selbst als unabhängige Journalistin, verbreitet aber über verschiedene Plattformen russische Propaganda. Auf der Karte sind die Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja statt der Ukraine der Atommacht Russland zugeordnet.

Als Beleg für die Rechtmäßigkeit der Annexion führt der russische Präsident Scheinreferenden an, die vom 23. bis 27. September in den betreffenden Regionen abgehalten wurden. Diese Abstimmungen werden jedoch völkerrechtlich als nicht zulässig angesehen und von vielen Ländern nicht anerkannt.

Wie entstehen Staatsgrenzen?

Die meisten aktuellen Grenzen sind historisch auf der Basis von Verträgen zwischen Ländern oder auf der Grundlage geologischer Grenzen wie Flüsse und Gebirgszüge entstanden. Doch auch hier ist eine gegenseitige Anerkennung wichtig.

Die Länder arbeiten in der Regel gemeinsam einen Vertrag über die Landesgrenzen aus. Das haben auch Russland und die Ukraine getan: In einem Vertrag legten sie die Grenze zwischen den beiden Ländern fest. Dieses Dokument wurde auch den Vereinten Nationen vorgelegt.

Es ist zwar möglich, Grenzen zu verschieben und über Land zu verhandeln, wie ein Beispiel zwischen den Niederlanden und Belgien zeigt. Dazu ist jedoch ein Abkommen erforderlich.

Im aktuellen Fall wird selbst von der russischen Regierung noch nicht von einer «offiziellen neuen Landkarte der Ukraine» gesprochen: Putins Sprecher Dmitri Peskow ließ nach der Unterschrift des russischen Präsidenten verlauten, dass die russische Regierung noch genau bestimmen muss, wie die neuen Grenzen verlaufen sollen.

Annexion der Krim-Halbinsel

Die Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 verlief ähnlich wie nun die der vier ostukrainischen Regionen. Auch dort wurde nach dem russischen Einmarsch ein Scheinreferendum abgehalten, das von der Ukraine und den westlichen Ländern als illegal angesehen wurde. Die große Mehrheit der Bevölkerung soll damals für eine russische Annexion gestimmt haben. Wenige Tage später unterzeichnete Putin einen entsprechenden Vertrag. Weder die Ukraine noch die EU erkannten den angeblich neuen Grenzverlauf an.

(Stand: 11.10.2022)

Links

Tagesschau über Rechtswidrigkeit des Scheinreferendums in der Ostukraine (archiviert)

Online-Magazin Katapult über Definition von Staat (archiviert)

Telegram-Kanal «Neues aus Russland» (archiviert)

T-Online über Alina Lipp (archiviert)

Putin unterzeichnet Annexion (archiviert)

Zum Scheinreferendum in der Ostukraine (archiviert)

Rechtliche Kriterien für die Staatsbildung (archiviert)

Über die Volksrepubliken Luhansk und Donezk (archiviert)

Reaktionen auf Scheinreferendum (archiviert)

Wie entstehen Grenzen? (archiviert)

Grenzvertrag Russland-Ukraine 2004 (archiviert)

Grenzverhandlungen zwischen den Niederlanden und Belgien (archiviert)

Russland ist sich unklar über neue Grenzen (archiviert)

Reaktionen auf Krim-Referendum (archiviert)

Putin unterzeichnet Vertrag über die Annexion der Krim (archiviert)

EU erkennt Annexion der Krim nicht an (archiviert)

Beitrag bei Facebook (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.