Corona-Pandemie
Angebliche Todeszahlen aus Italien sind erfunden
29.10.2022, 13:18 (CEST), letztes Update: 29.10.2022, 15:22 (CEST)
Über die Corona-Impfung kursieren in den sozialen Medien nach wie vor viele Falschnachrichten. Ein besonders viraler Beitrag zeigt vermeintlich «neue Daten aus Italien». «Die Covid Impfung entfaltet ihre Wirkung», titelt der Post. Die Zahl schwerer Erkrankungen in der italienischen Bevölkerung sei demnach extrem gestiegen. In den ersten neun Monaten des Jahres 2022 sei es zu 548 000 «plötzlichen unerwarteten Todesfällen» gekommen. Die Daten stammen laut dem Beitrag vom «Statistischen Institut der Regierung».
Bewertung
Die Zahlen sind offensichtlich frei erfunden.
Fakten
In Italien starben laut dem staatlichen Statistischen Amt Italiens (ISTAT) von Januar bis September 2022 insgesamt 529 280 Menschen, wobei die Zahl für September mit 49 886 Todesfällen noch auf einer Hochrechnung beruht. Doch diese Gesamtzahl an Todesfällen zeigt bereits deutlich, dass die Daten aus dem Post erfunden sind. Dieser nennt für die ersten neun Monate im Jahr 2022 548 000 «plötzliche unerwartete Todesfälle». Doch so viele Menschen starben in diesem Zeitraum nicht einmal insgesamt in Italien. Was mit «unerwarteten Todesfällen» gemeint ist, erklärt der Post nicht.
Auch für angebliche Daten zu den schweren Krankheiten gibt es keine Belege. Der Beitrag behauptet, im Jahr 2022 sei die Zahl der Fehlgeburten um 279 Prozent gestiegen. Bei Herzinfarkten sei es zu einem Anstieg von 269 Prozent und bei Lungenembolien von 458 Prozent gekommen. Ebenfalls hohe Anstiege seien bei Eierstockerkrankungen mit 437 Prozent, multipler Sklerose mit 680 Prozent und Brustkrebs mit 487 Prozent zu verzeichnen.
Es gibt kein «Statistisches Institut der Regierung» in Italien. ISTAT hingegen veröffentlicht eine Statistik zu Krankheitsursachen bei Todesfällen, jedoch reichen die Daten bisher nur bis zum Jahr 2019. Aktuelle Zahlen gibt es nicht. Kreislauf- und Krebserkrankungen sind - wie auch in den Jahren zuvor - die beiden Ursachen mit den höchsten Zahlen an Todesfällen.
So erkranken laut Francesco Schitulli, dem Präsidenten der italienischen Liga für Krebsbekämpfung (LILT) in Italien, jährlich etwa 60 000 Frauen an Brustkrebs. Aufgrund der Corona-Pandemie dürfte jedoch bei rund 4000 Frauen die Krankheit erst in einem späteren Stadium entdeckt worden sein, so Schitulli in einem Bericht der Apothekenzeitung «Rifday». Rechnet man den behaupteten Anstieg von 487 Prozent dazu, würde diese Krankheit im laufenden Jahr bei rund 352 000 Frauen diagnostiziert werden. Darauf gibt es jedoch keinerlei Hinweise.
Hätte sich die Zahl der Herzinfarkte um zusätzliche 269 Prozent erhöht, müsste sich dies eigentlich auch in der Zahl der gesamten Todesfälle widerspiegeln. Laut den Daten von ISTAT (automatischer Download-Link) starben von Januar bis August 2022 genau 479 394 Menschen in Italien. Eine im Vergleich zu den letzten beiden Vorjahren sogar geringere Zahl: 2021 sind in den ersten acht Monaten genau 483 145 Menschen gestorben. 2020 waren es 483 594 Tote.
Auffällig ist die deutlich höhere Zahl an Todesfällen im Juli 2022 im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresmonaten. Sie lag mit 64 471 höher als im Juli 2021 (53 668) und Juli 2020 (51 422). Das Statistische Amt erklärt in einer Pressemeldung, der Anstieg der Todesfälle im Juli 2022 könnte zu großen Teilen auf die außergewöhnliche Hitzewelle zurückzuführen sein. Das Phänomen sei auch in anderen Ländern in Europa zu beobachten gewesen.
(Stand: 28.10.2022)
Links
ISTAT Todesfälle Italien (archiviert)
Tabelle zu regionalen Todeszahlen nach Monaten in Italien von ISTAT (Stand: 20.10.2022) (archiviert, automatischer Download)
ISTAT Statistik Todesursachen (archiviert)
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