Globales Problem

Auch konservativ regierte Staaten stecken in Energiekrise

22.9.2022, 15:05 (CEST)

Die Benzinpreise in Deutschland sind in letzter Zeit stark gestiegen. Dafür sollen angeblich die Grünen verantwortlich sein. Doch ein Vergleich mit anderen Ländern beweist das Gegenteil.

Die Grünen haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie niedrige Benzinpreise nicht gutheißen. Ein Sharepic unterstellt ihnen nun, für die aktuell sehr hohen Preise verantwortlich zu sein. Wo es keine «grüne Regierung» gebe, da gebe es auch keine Energiekrise. Lässt sich der Vergleich so ziehen?

Bewertung

Nein. Eine Energiekrise erleiden gerade viele Länder, auch von konservativen Parteien regierte. Auf die aktuellen Benzinpreise haben politische Entscheidungen allein der deutschen Regierung nur geringe Auswirkungen.

Fakten

Auch in diversen konservativ oder rechts regierten Ländern herrscht derzeit eine Energiekrise in Form von stark steigenden Preisen und möglichen Engpässen. So stellte etwa die konservative britische Regierungschefin Liz Truss am 8. September im Unterhaus Pläne für den Kampf gegen stark steigende Energiepreise vor und sprach davon, dass ihr Land einer «weltweiten Energiekrise» gegenüberstehe. Auch Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki von der rechten PiS-Partei stellte am 15. September entsprechende Pläne vor und sprach von «dramatischen Umständen».

Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine sind die Benzinpreise in Deutschland tatsächlich stark gestiegen - ähnlich wie in fast allen anderen Ländern. Dazu haben vor allem die Ölpreise beigetragen, die im Zuge des Krieges und der Sanktionen gegen Russland im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen sind. Verstärkt wird dieser Effekt durch einen starken Dollar. Denn Öl wird in der US-Währung gehandelt, Käufer aus anderen Ländern müssen aber in ihrer Währung bezahlen. Ist der Dollar im Vergleich viel wert, wird es teurer.

Die Sanktionen wurden aber von den meisten der im Sharepic aufgeführten Ländern mitgetragen - nicht nur von Staaten, in denen grüne Parteien mitregieren. So sind Frankreich und Polen an den EU-Sanktionen beteiligt. Australien, Neuseeland, die USA, Kanada und Japan haben jeweils eigene Sanktionen erlassen. Die Entwicklung nur «grünen Regierungen» zuzuschreiben, greift also zu kurz.

Das Sharepic stammt wohl ursprünglich von der Facebook-Seite des AfD-Politikers Martin Sichert, der seine Posts mit der Aufschrift «SichertDeutschland» versieht.

Bei Sichert wird angegeben, dass die Zahlen von der Seite des Unternehmens Globalpetrolprices.com kommen, das Daten zu Energie-Rohstoffen sammelt und bereitstellt. Sichert schreibt auch, dass es sich um die Daten vom 12. September 2022 handelt. Nicht berücksichtigt ist dabei die unterschiedliche Kaufkraft in den aufgeführten Ländern. Da die Lebenshaltungskosten in verschiedenen Ländern stark voneinander abweichen, ist ein Euro nicht überall gleich viel wert. Daher ist ein Vergleich von absoluten Treibstoffpreisen nur begrenzt aussagekräftig.

(Stand: 21.9.2022)

Links

Protokoll der Rede von Liz Truss im britischen Unterhaus (archiviert)

Pressemitteilung von Polens Premierminister Mateusz Morawiecki (archiviert)

Informationen zu Globalpetrolprices.com (archiviert)

Informationen des Deutschen Bundestags zur derzeitigen Bundesregierung (archiviert)

Informationen zur Regierung in Luxemburg beim Auswärtigen Amt (archiviert)

archivierte Seite mit Globalpetrolprices-Daten vom 12.9.2022

archivierte Seite mit Globalpetrolprices-Daten vom 2.5.2022

«tagesschau»-Übersicht zu Ölpreisentwicklung (archiviert)

«tagesschau»-Übersicht zu Dollarkurs (archiviert)

EU-Übersicht zu Sanktionen gegen Russland (archiviert)

Australische Übersicht zu Sanktionen gegen Russland (archiviert)

Neuseeländische Übersicht zu Sanktionen gegen Russland (archiviert)

US-Informationen zu Sanktionen gegen Russland (archiviert)

Kanadische Informationen zu Sanktionen gegen Russland (archiviert)

Japanische Informationen zu Sanktionen gegen Russland (archiviert)

Definition von Kaufkraft bei der Bundeszentrale für politische Bildung (archiviert)

«Focus»-Berechnungen zum kaufkraftbereinigten Benzinpreis in EU-Staaten (archiviert)

Facebook-Post mit Sharepic (archiviert)

Sharepic auf Facebook-Seite von Martin Sichert (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.