Frei erfundene Passagen

Kabinettsmitgliedern werden verfälschte Zitate in den Mund gelegt

15.9.2022, 14:30 (CEST)

Immer wieder finden sich in den sozialen Netzwerken Bilder von Politikern, zusammen mit angeblichen Zitaten. Aktuell kursiert ein Zusammenschnitt angeblicher Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner, Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck. Doch haben die vier diese Sätze so gesagt?

Bewertung

Keines der Zitate ist so gefallen. Es wurden jeweils echte Aussagen mit frei erfundenen Passagen vermischt.

Fakten

Angebliches Scholz-Zitat

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird mit folgendem Satz zitiert: «Ich kann mich nicht erinnern, mehrere Millionen unterschlagen zu haben».

Scholz ist im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal der Hamburger Wartburg-Bank in einem Untersuchungsausschuss befragt worden. Im Raum steht die Frage, ob Scholz, damaliger Bürgermeister Hamburgs, seine schützende Hand über die Bank gehalten haben soll. Scholz bestreitet eine Einflussnahme und kann sich laut eigener Aussage an Details der Gespräche mit dem Management der Bank nicht erinnern. Für das angebliche Zitat findet sich jedoch kein Beleg.

Angebliches Lindner-Zitat

Vom Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sollen angeblich diese Worte stammen: «Keine Übergewinnsteuer, reiche sollten nicht mehr zahlen» (Schreibweise im Original).

Lindner spricht sich seit Monaten offen gegen eine Übergewinnsteuer aus. Es bestehe die Gefahr, «dass das Gegenteil von dem erreicht wird, was die Befürworterinnen und Befürworter wollen», so der Minister. Der Satz «Reiche sollten nicht mehr zahlen» findet sich hingegen nicht.

Angebliches Baerbock-Zitat

Ebenfalls stark verfälscht wurde eine Aussage von Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen). Angeblich soll sie gesagt haben: «Egal was die Wähler wollen, auch wenn sie auf die Straßen gehen und kein Geld mehr haben, wir stehen zur Ukraine».

Tatsächlich sagte die Außenministerin bei einem Auftritt in Prag am 31. August: «Denn wenn ich als Politikerin das Versprechen gebe - und glücklicherweise gibt es in einer Demokratie die Möglichkeit, dass die Leute mir widersprechen und in vier Jahren sagen: "Sie haben uns nicht die Wahrheit gesagt" - aber wenn ich dieses Versprechen an die Ukrainer gebe: "Wir stehen so lange an eurer Seite, wie Ihr uns braucht", dann möchte ich auch liefern, egal was meine deutschen Wähler denken, aber ich möchte für die ukrainische Bevölkerung liefern».

Später fasste sie zusammen: «Wir bleiben solidarisch mit jedem in unserem Land, genau wie mit jedem in der Ukraine». Der frei erfundene Ausspruch «auch wenn sie (die Wähler) auf die Straße gehen und kein Geld mehr haben» gibt ihre Position also völlig falsch wieder.

Angebliches Habeck-Zitat

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) soll angeblich gesagt haben: «Ein Laden der aufhört zu verkaufen, ist doch nicht Insolvent, er verdient nur kein Geld mehr» (Schreibweise im Original).

Er äußerte sich kürzlich ähnlich, es handelt sich jedoch nicht um ein wörtliches Zitat. Tatsächlich sagte der Wirtschaftsminister in der Sendung «Maischberger» Anfang September, angesprochen auf Betriebe, die durch die derzeitige Lage in Finanzdruck geraten, «dass es nicht automatisch eine Insolvenzwelle geben muss. Aber es kann sein, dass sich bestimmte Geschäfte nicht mehr rentieren und die dann eingestellt werden. Vielleicht werden sie später wieder aufgenommen, das kann ja sein. Also das ist dann ja keine klassische Insolvenz.» Weiter sagte er: «Dann sind die nicht insolvent, automatisch, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen.»

(Stand: 15.9.2022)

Links

Christian Linder zur Übergewinnsteuer (archiviert)

Olaf Scholz zu Wartburg-Bank (archiviert)

Robert Habeck bei Maischberger (archiviert)

Erste Aussage von Baerbock in Prag

Zweite Aussage von Baerbock in Prag

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.