Dunkelfeldmikroskopie

Blutanalyse basiert auf umstrittener Forschungsmethode

05.09.2022, 17:09 (CEST)

Die Behauptung, dass Corona-Impfstoffe Graphen-Partikel enthalten sollen, ist alt. Forscher haben nun angeblich Partikel im Blut von Geimpften gefunden. Doch die Forschungsmethode ist unseriös.

Die Risiken der Corona-Impfstoffe sind weitgehend bekannt - und viel geringer als die einer Covid-Erkrankung. Von Zeit zu Zeit behaupten jedoch einzelne, bislang unbekannte Inhaltsstoffe in den Präparaten gefunden zu haben. Nun sollen angeblich Dunkelfeldmikroskopie-Forschungen aus Italien ergeben haben, dass das Blut geimpfter Probanden «mysteriöse Partikel verschiedener Größen und Formen» enthalte. Dabei wird auf eine vermeintliche Fachpublikation namens «Disinfection» verlinkt, in der die Forschungsergebnisse veröffentlicht wurden. Laut den beteiligten Forschern könnte es sich bei den angeblich gefundenen Partikeln um Graphen handeln.

Bewertung

Die Studie wurde in keiner medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht, es gab keine Kontrollgruppe, die Methode der Dunkelfeldmikroskopie ist umstritten. Die derzeit zugelassenen mRNA-Corona-Impfstoffe enthalten kein Graphenoxid.

Fakten

Aus dem Artikel in «Disinfection» geht hervor, was genau die drei beteiligten Forscher untersucht haben: So sei mithilfe eines Dunkelfeldmikroskops Blut von 1006 Patienten analysiert worden, die wegen verschiedener Erkrankungen nach einer Impfung mit mRNA-Corona-Impfstoffen an das «Giovannini Biodiagnostic Center» überwiesen wurden. Dabei wollen sie Veränderungen an roten Blutkörperchen ausgemacht und Partikel «unklarer Herkunft» gefunden haben.

Dunkelfeldmikroskopie von Blut ist umstritten

Bei der Dunkelfeldmikroskopie kommt im Gegensatz zur herkömmlichen Hellfeldmikroskopie eine andere Belichtung der untersuchten Objekte zum Einsatz. Anders als bei einem Durchlichtmikroskop, bei dem sich die Lichtquelle hinter dem Objekt befindet, werden beim Dunkelfeldmikroskop Objekte von der Seite belichtet. Wie sich am Namen ableiten lässt, werden Objekte dabei vor einem dunklen Hintergrund abgebildet.

So lassen sich bei einigen Objekten feinere Konturen erkennen, die sich bei der Hellfeldmikroskopie aufgrund eines geringen Kontrastes kaum vom hellen Hintergrund absetzen. Dunkelfeldmikroskopie wird daher laut der Website «Microscope Master» hauptsächlich für ungefärbte, transparente und undurchsichtige Objekte wie Meeresorganismen, Pilze, Insekten und Bakterien verwendet.

Die Blutanalyse mithilfe der Dunkelfeldmikroskopie ist jedoch umstritten. Die wenigen verfügbaren Studien zu dieser Methode geben Hinweise darauf, dass sie nicht geeignet ist, Blut zuverlässig zu untersuchen. Auch für die Diagnose von Krankheiten, wie etwa Krebs, ist sie demnach ungeeignet.

Das US-Portal «Quackwatch», das sich mit Gesundheitsbetrug und pseudowissenschaftlichen Behandlungsmethoden auseinandersetzt, hat sich in einem Beitrag ebenfalls der Live-Blutuntersuchung anhand der Dunkelfeldmikroskopie gewidmet. Die meisten Praktiker, die den Test durchführen, seien demnach nicht qualifiziert, die Probleme zu behandeln, die sie vorgeben zu diagnostizieren. Oft gibt es falsche Interpretationen, wie beispielsweise zum Ausmaß der Verklumpung roter Blutkörperchen, Veränderungen in der Form der Zellen oder anderer Artefakte, die etwa auftreten, wenn die Blutprobe trocknet.

Studie wurde nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlicht

Bei «Disinfection» handelt es sich um keine medizinische Fachzeitschrift, sondern eine Beilage zum italienischen «Natura Docet» (ND). Das Heft dreht sich unter anderem um Gesundheit, Tourismus und Kultur.

Die Forschungsergebnisse erschienen auch auf Englisch in einem vermeintlich wissenschaftlichen Journal mit dem Namen «International Journal of Vaccine Theory, Practice, and Research (IJVTPR)». Dort heißt es, dass eine Qualitätssicherung der veröffentlichten Beiträge nach dem Peer-Review-Verfahren durch zwei Personen aus dem «Editorial Board» stattfindet. Doch laut Recherchen italienischer Journalisten von «Open» stehen zwei der Mitherausgeber, ein Ehepaar, der Impfgegener-Szene nahe.

Weder «Disinfection» noch «IJVTPR» sind bei «PubMed», einer Archivdatenbank von seriösen medizinischen Artikeln und Zeitschriften, gelistet.

Kontrollgruppe fehlt

Enrico Bucci, ein Experte für die Analyse von Studien und der Aufdeckung von wissenschaftlichem Betrug, führt in einem Beitrag für die italienische Tageszeitung «Il Foglio» mehrere fehlende Qualitätsmerkmale der Studie aus. So fehle eine Verblindung bzw. eine Kontrollgruppe mit ungeimpften Personen.

Bucci weist auch darauf hin, dass die Forscher keine Angaben dazu machen, mit welchen Methoden sie etwa eine Kontaminierung der Blutproben mit Partikeln unklarer Herkunft bei der Vorbereitung der Blutproben verhindert haben.

Corona-Impfstoffe enthalten keine Graphen-Partikel

Die Autoren der «Disinfection»-Beitrags äußern wiederholt die Vermutung, dass es sich bei den Partikeln, die sie auf den Bildern entdeckt haben wollen, um Graphen-Partikel handeln könnte. Es seien jedoch weitere Forschungen nötig, um die Partikel genauer zu bestimmen, heißt es am Ende der Ausführungen.

Die Falschbehauptung, dass in den Corona-Impfstoffen angeblich Graphen-Partikel enthalten sind, ist nicht neu. Die Deutsche Presse-Agentur hat sich bereits 2021 in einem Faktencheck mit einer ähnlichen Behauptung beschäftigt. Ursprung der Behauptung war demnach die Arbeit eines Forschers aus Spanien.

Die Inhaltsstoffe der Covid-19-Vakzine sind bekannt und öffentlich zugänglich. Es gibt nach wie vor keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass der Impfstoff von BioNTech/Pfizer Graphenoxid enthält. Auch auf den Inhaltsstofflisten der Impfstoffe von Moderna, AstraZeneca und Johnson&Johnson findet sich dieser Stoff nicht.

(Stand: 1.9.2022)

Links

Studie in der Zeitschrift-Ergänzung «Disinfection» (archiviert)

«Microscope Master» zur Dunkelfeldmikroskopie und Blutanalysen (archiviert)

Studie 1 zur Dunkelfeldmikroskopie (archiviert)

Studie 2 zur Dunkelfeldmikroskopie (archiviert)

Portal «medizin transparent» zur Dunkelfeldmikroskopie (archiviert)

Portal «Quackwatch» zur Dunkelfeldmikroskopie (archiviert)

Über Enrico Bucci (archiviert)

Enrico Bucci über die Studie in der Zeitung «Il Foglio» (archiviert)

Über das Heft «Natura Docet» (archiviert)

Italienischer Faktencheck von «Open» zur Studie (archiviert)

Studie im «International Journal of Vaccine Theory, Practice, and Research» (archiviert)

Über das Peer-Review-Verfahren im IJVTPR (archiviert)

Über PubMed (archiviert)

dpa-Faktencheck «Corona-Impfstoffe enthalten kein Graphenoxid»

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