Erzgebirge

Angeblich vom Staat bezahlter Friseurbesuch ist Behörden unbekannt

31.08.2022, 18:53 (CEST)

In einer Sprachnachricht verbreitet sich die Behauptung, das Sozialamt habe den 200-Euro-Friseurbesuch einer Ukrainerin in Sachsen bezahlt. Doch alles deutet auf eine Erfindung hin.

In Deutschland haben mittlerweile mehr als 960 000 ukrainische Kriegsflüchtlinge Zuflucht gefunden. Weil für sie eine besondere EU-Richtlinie gilt, erhalten sie schneller als andere Schutzsuchende einen Aufenthaltsstatus. Doch es kursieren auch Gerüchte darüber, wie viel staatliche Unterstützung Ukrainer in Deutschland erhalten. In einer auf Telegram und Whatsapp verbreiteten Sprachnachricht heißt es, eine Ukrainerin habe sich in einem Friseursalon im sächsischen Erzgebirgskreis geweigert, die angeblich 200 Euro hohe Rechnung zu begleichen, und auf «das Sozialamt» verwiesen. Die Saloninhaberin habe daraufhin die Polizei gerufen. Zwei Polizisten sollen dann vor Ort bestätigt haben, dass das Sozialamt die Kosten für den Friseurbesuch der Ukrainerin überweisen werde. Ist diese Geschichte so passiert?

Bewertung

Es gibt keine Belege dafür, dass sich dieser Vorfall im Erzgebirgskreis so ereignet hat. Die Polizei hat einen solchen Einsatz nicht dokumentiert und hält ihn für erfunden. Ukrainer erhalten - wie überall in Deutschland - Grundsicherung vom Jobcenter. Dieses überweist aber keine Friseur-Rechnungen, wie der Landkreis bestätigte.

Fakten

In der kursierenden Sprachnachricht wird der Fall im sächsischen Landkreis Erzgebirge verortet. Ein genauer Ort wird nicht genannt. Die Behörden vor Ort bestätigen aber, dass die Schilderung die finanzielle Unterstützung von ukrainischen Geflüchteten falsch darstellt wurde. «Das Jobcenter übernimmt keine Friseurbesuche», sagte der Landkreissprecher Stefan Pechfelder der Deutschen Presse-Agentur (dpa). «Das ist eine Fake-News». Die Sprachnachricht sei den Behörden bereits aufgefallen.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine erhalten seit dem 1. Juni staatliche Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger. Sie erhalten also nicht mehr, aber auch nicht weniger als deutsche Staatsbürger. Für die Auszahlung der Grundsicherung sowie für die Vermittlung von Jobs und Integrationskursen sind die Jobcenter zuständig. Darauf haben sich Bund und Länder geeinigt.

Die Europäische Union hatte zuvor entschieden, für die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine erstmals die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie zu aktivieren. Diese sieht vor, dass die Schutzsuchenden keinen Asylantrag stellen müssen, sondern erst einmal einen Aufenthaltstitel für ein Jahr erhalten und arbeiten dürfen. Eine Verlängerung auf bis zu drei Jahre ist möglich.

In der Sprachnachricht wird erwähnt, dass die Besitzerin des Friseursalons die Polizei zu Hilfe gerufen habe. Doch vor Ort ist ein solcher Fall nicht dokumentiert: Auf dpa-Anfrage hat die Polizeidirektion Chemnitz in allen vier Polizeirevieren des Erzgebirgskreises abgefragt, ob in den letzten Wochen ein solcher Einsatz passiert ist. «In keinem der Reviere ist ein solcher Vorfall bekannt oder aktenkundig», teilte eine Polizeisprecherin Jana Ulbricht mit. «In Würdigung der Gesamtumstände gehen wir davon aus, dass es diesen Vorfall nicht gegeben hat.»

Gerüchte über vermeintlich luxuriöse Bezüge für Asylbewerber sind immer wieder Gegenstand von Desinformation. In Faktenchecks hat dpa schon widerlegt, dass Flüchtlinge angeblich mehr Geld erhalten würden als Rentnerinnen und Rentner oder der Staat ihnen angeblich Weihnachtsgeld und pauschal einen Führerschein bezahle.

(Stand: 31.08.2022)

Links

dpa-Meldung über die Grundsicherung für Ukrainer, veröffentlicht von «Tagesschau.de» (archiviert)

Informationen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt über Grundsicherung für Ukrainer (archiviert)

dpa-Faktencheck «Flüchtlinge in Deutschland bekommen kein Weihnachtsgeld vom Staat»

dpa-Faktencheck «Kostenübernahme nur möglich, wenn neuer Job vom Führerschein abhängt»

dpa-Faktencheck «Falsche Zahlen - anderes Thema: Interview mit Landwirtschaftsministerin drehte sich um Zuverdienste»

Behauptung in Sprachnachricht auf Telegram (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.