Keine Grundgesetzänderung

Umstrukturierung ändert nichts an den Aufgaben der Bundeswehr

29.08.2022, 15:58 (CEST)

Ihre Einsätze im Zuge der Corona-Pandemie und der Flutkatastrophe haben die Bundeswehr wieder mehr ins Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger gerückt. Als Konsequenz dieser Fälle, aber auch aus dem Ukraine-Krieg, hat das Verteidigungsministerium im Sommer 2022 beschlossen, die Führung von Inneneinsätzen in Berlin zu bündeln. Ein Blog behauptet in diesem Zusammenhang, die Armee werde vom 1. Oktober an auf den Straßen patrouillieren. Das ist falsch.

Bewertung

Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist nur in Ausnahmen erlaubt. Das ist im Grundgesetz geregelt und daran wurde nichts geändert. In dem neuen Kommando werden bestehende Führungen zusammengefasst, damit beispielsweise Einsätze im Katastrophenfall besser koordiniert werden können.

Fakten

Aufgabe der Bundeswehr ist die Landesverteidigung, also die äußere Sicherheit. Die deutsche Verfassung erlaubt den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, abseits bei einem Verteidigungsfall, nur in Ausnahmen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags ordnet sie in drei Kategorien ein:

  • Amtshilfe (Art.35 Abs.1 GG): beispielsweise im Rahmen der Corona-Pandemie, aber auch etwa in Form der Unterstützung mit technischen Geräten
  • Katastrophenfall (Art.35 Abs.2 und 3 GG): Hilfe bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen, etwa im Ahrtal
  • Innerer Notstand (Art. 87a Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 91 Abs. 2 GG): historisch noch nie in der Bundesrepublik vorgekommen, an sehr strenge Bedingungen gebunden, insbesondere der Bedingung, dass eine Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes droht.

Die operative Führung der Kräfte für diese Aufgaben war bisher an unterschiedlichen Standorten verteilt. Das Verteidigungsministerium will von Herbst 2022 an die Führungsstruktur in einem Kommando in Berlin bündeln, das von März 2023 einsatzbereit sein soll. Damit würde «Erkenntnissen aus der Arbeit des Corona-Krisenstabes und auch der Unterstützung im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr Rechnung getragen», teilte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) mit.

Es handelt sich weder um eine originär neue Institution noch hat die Bundeswehr neue Befugnisse erhalten. Dafür müsste das Grundgesetz geändert werden, wofür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig ist. An keiner Stelle ist angekündigt, die Bundeswehr vor Lebensmittelgeschäften zu stationieren. Laut Grundgesetz gehört der mögliche Schutz von zivilen Objekten durch Streitkräfte zum äußerten Ausnahmefall im Sinne von Art. 87a Abs.4, der wie erwähnt hohe Hürden hat.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums teilte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit: «Durch die Aufstellung des [neues Kommandos] ist weder ein vermehrter Einsatz der Bundeswehr im Bevölkerungsschutz beabsichtigt noch ändern sich die gesetzlichen Grundlagen für den Einsatz der Bundeswehr im "Innern".» Dieser dürfe «immer nur das äußerste Mittel sein», da die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in erster Linie Aufgabe der Polizei sei.

(Stand: 29.8.2022)

Links

Blog-Beitrag (archiviert)

Bundeswehr zum neuen Kommando (archiviert)

Tagesschau zum neuen Kommando (archiviert)

Artikel 35 GG (archiviert)

Artikel 87 GG (archiviert)

Zur Amtshilfe (archiviert)

Zum Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (archiviert)

Grundgesetz (archiviert)

Bundesverfassungsgerichts-Urteil zum Einsatz im Inneren vom 3. Juli 2012 (archiviert)

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestag zum Einsatz (archiviert)

Bundeswehr zum Einsatz im Inneren (archiviert)

bpb zum Einsatz (archiviert)

Bayerischer Rundfunk zum Einsatz (archiviert)

Bundesakademie für Sicherheit zum Einsatz der Bundeswehr (archiviert)

Bundeswehr im Ahrtal (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.