Foto zeigt keinen Explosionsort - Autos sollen als Barriere genutzt worden sein

19.08.2022, 13:14 (CEST)

Ein Bild aus der ersten Phase des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kursiert erneut in den sozialen Netzwerken (archiviert). Es zeigt dem Anschein nach durch eine Explosion umgeworfene Autos - doch die Fensterscheiben in den Gebäuden im Hintergrund sind unbeschädigt. Auf Facebook vermuten Nutzer eine Inszenierung. Ironisch heißt es: «Wer ist der Hersteller dieser unzerstörbaren Fenster?» und «Hollywood macht das normalerweise besser».

Bewertung

Das Foto ist authentisch und stammt aus dem ukrainischen Butscha. Es zeigt jedoch keinen Explosionsort. Anwohner berichten davon, dass russische Soldaten die Autos umwarfen, um dahinter ihre Ausrüstung zu verstecken. Es lassen sich keine Medienberichte finden, in denen das Bild mit Bombenangriffen in Verbindung gebracht wird.

Fakten

Das Bild hat der Fotograf Rodrigo Abd am 4. April 2022 für die Nachrichtenagentur AP gemacht. Laut Bildbeschreibung zeigt es einen ukrainischen Soldaten, der mit Kindern in der Kleinstadt Butscha an zerstörten Autos vorbeiläuft. Bomben werden nicht erwähnt. Ein Vergleich mit Aufnahmen von Google Maps und Google Street View zeigt, dass das Bild wie von AP angegeben in der Stadt Butscha aufgenommen wurde.

Viele Medien auf der ganzen Welt haben das Foto veröffentlicht. Aber anders als nun auf Facebook angedeutet, lassen sich bei einer Bilder-Rückwärtssuche keine Veröffentlichungen mit einem Bezug zu Bomben-Angriffen finden. Von einer Bombardierung ist nur in dem Sharepic die Rede.

Nach Einschätzung von Michael Karl, Militärexperte und wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), ist es theoretisch durchaus möglich, dass eine Bomben-Explosion die Autos umgeworfen hat. Die Druckwelle sei «irgendwann an einem Punkt, an dem sie nicht mehr zerstörerisch ist, aber durchaus noch Kraft genug hat, etwas umzuwerfen».

In einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) aus Butscha werden aber nur Artillerieangriffe und Beschuss durch Panzer erwähnt. Stärkere Explosionen, etwa durch Bomben, erwähnen die Menschen nicht, mit denen HRW gesprochen hat. Eine plausible Erklärung lieferte ein Anwohner des gezeigten Straßenzuges den Faktencheckern der griechischen Seite «Ellinika Hoaxes». In einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters hatten sie seinen Namen gelesen und Kontakt mit ihm aufgenommen.

Der Mann berichtete demzufolge, russische Soldaten hätten die Fahrzeuge umgeworfen, um dahinter ihre Ausrüstung zu verstecken. Einige Details in den Fotos zu dem Reuters-Artikel stützen seine Aussage. Im ersten Bild der Bilderstrecke sind gepanzerte Fahrzeuge zu sehen, mit denen es theoretisch möglich wäre, die viel leichteren PKW umzuwerfen.

Auf dem fünften Bild ist auch eines der Autos zu sehen, die später umgeworfen wurden, ein Mercedes-SUV. Da auf dem offenbar heimlich aufgenommenen Bild auch russische Soldaten zu sehen sind, muss es nach dem Beschuss und der Einnahme der Stadt aufgenommen worden sein.

«Ellinika Hoaxes» veröffentlichte auch einen Chat, den der Mann am 20. März mit seiner Schwester geführt haben soll. Demnach schreibt er darin, die Russen seien den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen, «eine Barriere zu errichten, um ihre Ausrüstung mit Personenkraftwagen zu verstecken». Das würde erklären, warum die Autos nur leichte Beschädigungen und weder Autos noch Gebäude Spuren von Explosionen aufweisen.

(Stand: 18.8.2022)

Links

Foto mit Quellenangabe bei AP (archiviert)

Aufnahmeort bei Google Street View (archiviert)

Bilder-Rückwärtssuche mit Foto aus Butscha (archiviert)

Bericht von Human Rights Watch zu Vorgängen in Butscha (archiviert)

Recherche von «Ellinika Hoaxes» zu dem Foto (archiviert)

Reuters-Bericht aus Butscha (archiviert, archiviertes Bild 1, archiviertes Bild 5)

Beitrag auf Facebook (archiviert)

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