Neue Kommandostruktur

Aufgaben der Bundeswehr bleiben unverändert

30.8.2022, 11:14 (CEST)

Bei der Bundeswehr soll ein bestehendes Kommando neu organisiert werden. Die Befugnisse das Militärs ändern sich dadurch nicht - doch im Netz wird schon zum Widerstand aufgerufen.

Das Verteidigungsministerium hat im Sommer 2022 beschlossen, Teile der Führungsstruktur der Bundeswehr in Berlin zu bündeln. «Das System bereitet sich offiziell vor für ein Kampf gegen das Volk» heißt es nun unter einer auf Facebook verbreiteten Meldung (Schreibfehler im Original). Und ein User kommentiert: «Wir sollten das auch tun...» Doch was hat es mit der Umstrukturierung tatsächlich auf sich?

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In dem neuen Kommando werden bestehende Führungen zusammengefasst, damit beispielsweise Einsätze im Katastrophenfall besser koordiniert werden können. An den Befugnissen der Bundeswehr ändert sich nichts. Diese sind im Grundgesetz geregelt.

Fakten

Aufgabe der Bundeswehr ist die Landesverteidigung, also die äußere Sicherheit. Die deutsche Verfassung erlaubt den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, abseits bei einem Verteidigungsfall, nur in Ausnahmen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags ordnet sie in drei Kategorien ein:

  • Amtshilfe (Art.35 Abs.1 GG): beispielsweise im Rahmen der Corona-Pandemie, aber auch etwa in Form der Unterstützung mit technischen Geräten
  • Katastrophenfall (Art.35 Abs.2 und 3 GG): Hilfe bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen, etwa im Ahrtal
  • Innerer Notstand (Art. 87a Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 91 Abs. 2 GG): historisch noch nie in der Bundesrepublik vorgekommen, an sehr strenge Bedingungen gebunden, insbesondere der Bedingung, dass eine Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes droht.

Die operative Führung der Kräfte für diese Aufgaben war bisher an unterschiedlichen Standorten verteilt. Das Verteidigungsministerium will von Herbst 2022 an die Führungsstruktur in einem Kommando in Berlin bündeln, das von März 2023 einsatzbereit sein soll. Dieses Territoriale Führungskommando der Bundeswehr geht aus dem bisherigen Kommando für Territoriale Aufgaben der Bundeswehr hervor.

Damit würde «Erkenntnissen aus der Arbeit des Corona-Krisenstabes und auch der Unterstützung im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr Rechnung getragen», teilte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) mit. Es handelt sich weder um eine originär neue Institution noch hat die Bundeswehr neue Befugnisse erhalten. Dafür müsste das Grundgesetz geändert werden, wofür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig ist.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums teilte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage mit: «Durch die Aufstellung des [neues Kommandos] ist weder ein vermehrter Einsatz der Bundeswehr im Bevölkerungsschutz beabsichtigt noch ändern sich die gesetzlichen Grundlagen für den Einsatz der Bundeswehr im "Innern".»

Für einen Einsatz der Bundeswehr müssen im Falle eines Aufstandes in der Bevölkerung mehrere Bedingungen erfüllt sein. Und auch dann sollen laut Wortlaut im Grundgesetz Streitkräfte nur zur Unterstützung eingesetzt werden können:

  • Es müsste ein innerer Notstand im Sinne von Art. 91 Abs. 2 eingetreten sein.
  • Es müsste eine Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes drohen.
  • Polizei und Bundesgrenzschutz reichten nicht aus, um die drohende Gefahr zu beseitigen.

2012 hat das Bundesverfassungsgericht betont, «selbst» im Fall einer «Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer» müssten für den Einsatz der Bundeswehr die genannten Voraussetzungen erfüllt sein, insbesondere die drohende Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung (siehe Rn.46) - nur die Lage des inneren Notstandes reiche nicht aus (Rn.26). Kurt Graulich, Professor an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitherausgeber einer Schriftenreihe zu Sicherheitsrecht, schrieb der dpa, Passagen aus dem Urteil zeigten klar, «dass es einen Vorrang des Einsatzes polizeilicher Mittel zur Gefahrenabwehr gegenüber militärischen gibt».

Ralf Poscher, Professor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht, bestätigte dies auf Anfrage der dpa. Er verwies etwa auf Einsätze zum 1. Mai in Berlin oder zum G-20-Gipfel im Hamburg, bei denen eben die Polizei in direkter Auseinandersetzung mit Demonstrationen eingesetzt war. «Das sind keine Fälle des 87er», sagte Poscher.

Auch der Sprecher des Verteidigungsministeriums schrieb der dpa, es sei zu betonten, «dass der bewaffnete Einsatz im Innern außerhalb der eigentlichen Grundfunktion der Streitkräfte in einem demokratischen Rechtsstaat immer nur das äußerste Mittel sein darf, da die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in erster Linie Aufgabe der Polizei ist.»

(Stand: 30.8.2022)

Links

Bundeswehr zum neuen Kommando (archiviert)

Tagesschau zum neuen Kommando (archiviert)

Artikel 87 GG (archiviert)

Zur Amtshilfe (archiviert)

Zum Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (archiviert)

Grundgesetz (archiviert)

Bundesverfassungsgerichts-Urteil zum Einsatz im Inneren vom 3. Juli 2012 (archiviert)

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestag zum Einsatz (archiviert)

Bundeswehr zum Einsatz im Inneren (archiviert)

bpb zum Einsatz (archiviert)

Bayerischer Rundfunk zum Einsatz (archiviert)

Bundesakademie für Sicherheit zum Einsatz der Bundeswehr (archiviert)

Bundeswehr im Ahrtal (archiviert)

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