Gruppen-Einäscherungen sind in Deutschland nicht erlaubt

22.08.2022, 17:31 (CEST)

Niedrigere Temperaturen, längere Schichten: Auch Krematorien müssen in Zeiten der Gasknappheit nach Lösungen suchen. Im Netz wird nun behauptet, ein Bestattungshaus würde wegen der Gasknappheit nur noch Gruppen-Einäscherungen anbieten. Warum das nicht stimmt.

Fake über Krematorium

Schenkt man einem Posting in den sozialen Medien Glauben, bietet ein Bestattungshaus nur noch Einäscherungen für mehrere Verstorbene gleichzeitig an. Um Energieressourcen zu sparen, könne erst ab fünf Personen eine Feuerverbrennung durchgeführt werden, heißt es auf einem abfotografierten Zettel. Das besagte Bestattungshaus betreibt jedoch gar kein Krematorium.

Bewertung

Die Behauptung ist frei erfunden. Das genannte Bestattungshaus bestreitet, dass der Zettel dort gehangen hat. Gruppeneinäscherungen sind in Deutschland nicht erlaubt.

Fakten

Das Foto wurde in den vergangenen Tagen vielfach von pro-russischen Webseiten sowie Telegram-Accounts verbreitet. Es zeigt einen Zettel an einer Tür. Auf dem Papier steht: «Sehr geehrte Kunden, um Energieressourcen zu sparen, bieten wir Einäscherungen nur in Gruppen ab 5 Personen nach Vereinbarung an.» Darunter ist ein Logo abgebildet, dass sich dem «Bestattungshaus Billing» im sächsischen Pirna zuordnen lässt. Ein Foto des Himmels über dem Text ähnelt außerdem der Webseite des Bestattungsinstituts.

Bei dem Papier handele es sich um «ein Fake zu Propagandazwecken oder um uns zu schaden, wobei ich letzteres unwahrscheinlich finde», erklärte Uwe Billing, Geschäftsführer des Bestattungshauses, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa. Sein Bestattungsinstitut betreibe gar kein Krematorium. Er habe rechtliche Schritte eingeleitet, um die Postings entfernen zu lassen.

Das Narrativ dahinter: Verstorbene könnten in Deutschland aufgrund der Gasknappheit nicht mehr in Würde bestattet werden. Manche Menschen teilten den Post sogar, um Parallelen zu den Massenvernichtungen in den Gaskammern während des Nationalsozialismus zu ziehen. So schreibt ein User dazu in einem Beitrag auf vk.com, einem aus Russland stammenden sozialen Netzwerk: «Historische Erfahrungen können nicht gelöscht werden.»

Gruppen-Einäscherungen seien zudem in Deutschland gar nicht erlaubt, erklärte Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, auf Anfrage der dpa. Dies sei in den Bestattungsgesetzen der Bundesländer vorgeschrieben, wenn auch nicht immer wortwörtlich. «Gruppen-Einäscherungen in einer Ofenlinie sind in den Ländern weder rechtlich noch technisch möglich», sagte er. Die Anlagen der Krematorien könnten außerdem immer nur einen Sarg aufnehmen. Dies werde vor jeder Einäscherung «genau kontrolliert».

Das Posting bezeichnet Neuser als einen eindeutigen Fake. «Es gibt aber andere Einsparmöglichkeiten für Krematorien» erklärt er. Man könnte etwa die Mindesttemperatur in den Nachbrennkammern absenken. Auch Mehrschichtbetriebe in den Krematorien seien in der Diskussion. So könnten die Anlagen dauerhaft unter Hitze gehalten werden. Dafür brauche es jedoch entsprechende Öfen und genügend Personal.

(Stand: 19.8.2022)

Links

Webseite des Bestattungshauses Billing in Pirna (archiviert)

Facebook-Posting mit gefälschtem Zettel (archiviert)

Bundesverband Deutscher Bestatter e. V. (archiviert)

Fake-Posting auf vk.com (archiviert)

Fake-Posting auf pro-russischer Webseite (archiviert)

Übersicht über Bestattungsgesetze der Bundesländer beim Branchenverband (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.